Barbarossastein bei Weingarten
Ein vergessenes Stauferdenkmal / Wurde Barbarossa auf der Haslachburg geboren?
"Im Jahr 1121 wurde Friedrich geboren (der hernachmals der Kaiser Fridericus Barbarossa war) von Friedrich, dem Einäugigen in Schwaben, und Judith, einer Welfin aus Bayern, entweder zu Waiblingen, oder auf dem alten Ravensburgischen Schloss Haslach." - So steht es in den Annales Suevici von Martin Crusius.
VON PETER KOBLANK (2020)
Martin Crusius (1526-1607) hieß eigentlich Martin Kraus und war ein schwäbischer Altphilologe und Historiker. Von 1559 bis kurz vor seinem Tode war er Professor der griechischen und lateinischen Sprache an der Universität Tübingen. Der oben zitierte Text stammt aus der Schwäbischen Chronik von Johann Jacob Moser, der 1733 die von Crusius 1595/1596 in lateinischer Sprache verfassten Annales Suevici ins Deutsche übersetzt hat.
Von Johann Jacob Moser im Jahre 1733 übersetzter Text der Annales Suevici von Martin Crusius.1
Es gibt keine mittelalterlichen Quellen, denen das Geburtsjahr oder der Geburtsort Barbarossas zu entnehmen ist. Die moderne Geschichtsforschung nimmt die Angaben von Crusius nicht besonders ernst, zumal sich aus einer zeitgenössischen Quelle aus dem 12. Jahrhundert immerhin herleiten lässt, dass Barbarossa frühestens 1122 geboren sein kann.2 Wenn schon das von Crusius genannte Geburtsjahr fragwürdig ist, was soll man dann vom Geburtsort halten?
Nichtsdestotrotz steht heute an der Stelle, wo sich das abgegangene "Schloss Haslach" befand, ein Denkmal, das den vermeintlichen Geburtsort des Stauferkaisers thematisiert.
Die Haslachburg war eine Höhenburg in der Nähe von Altdorf (seit 1865: Weingarten), die zu der Zeit, in der Barbarossa geboren wurde, im Besitz der Welfen war. Die Welfen waren das Adelsgeschlechts, dem Barbarossas Mutter Judith angehörte. Die Überlieferung von Crusius ist daher alles andere als abwegig.
Die Haslachburg soll 1748 abgebrochen und zum Bau der Pfarrkirche St. Maria in Altdorf verwendet worden sein.3 Heute sind dort keine steinernen Reste der Burg mehr zu sehen.
Transport des Findlings im Jahre 1909 durch den Haslachwald.4
Unter dem Einfluss der nach Gründung des Deutschen Kaiserreichs entstandenen Stauferbegeisterung griff die Ortsgruppe Weingarten des Schwäbischen Albvereins die alte Überlieferung auf. 1909 wurde, nachdem die erforderlichen Spendengelder eingesammelt worden waren, ein riesiger Findling von einem mächtigen Pferdegespann durch den Haslacher Wald auf den Burgstall transportiert.4
Der Findling wurde auf einen Betonsockel gestellt und mit einem Reliefporträt des Kaisers versehen. Auf dem Sockel wurde eine Tafel mit folgender Inschrift angebracht:
Es kündet dieser Stein
Von alter Volkessage
Treu bis zu diesem Tage
Sonder Fehl noch Lüge:
Auch Kaiser Karl der Große
Weilt' hier mit seinem Trosse
Beim Reigen munt'rer Elfen
Auf der Haslachburg der Welfen."
Schwäbischer Albverein Ortsgruppe Weingarten
1909
Inschrift des Barbarossasteins.
Wie man darauf kam, dass die Burg bereits zur Zeit von Karl dem Großen ( 814) bestanden habe, ist unklar. Tatsache ist aber, dass das Adelsgeschlecht der Welfen schon zur Zeit Karls des Großen existierte. Kaiser Ludwig der Fromme, Sohn Karls des Großen, war mit Judith, einer Tochter von Welf I., dem Urahn der Dynastie der Welfen, verheiratet. Ab Mitte des 9. Jahrhunderts waren die Welfen in Oberschwaben und dort auch in Altdorf begütert.
Der Barbarossastein am Burgstall der Haslachburg wurde am 19. Juni 1910 eingeweiht. 1922 wurde dort eine Feier anlässlich des 800. Geburtstags des Kaisers abgehalten.
Danach aber wurde es still um dieses Staufer-Monument, das aus ähnlichen Motiven wie das 1896 errichtete Kyffhäuserdenkmal entstanden war.
Heute ist der Barbarossastein nur noch Insidern bekannt. In der Erinnerungskultur der Welfenstadt Weingarten spielt er kaum noch eine Rolle.4
Wegweiser am Parkplatz an der Kreisstraße K 7948 von Weingarten nach Schlier.
Brücke vom Parkplatz aus über die Scherzach. Stufen hoch zum Denkmal.
Am schnellsten lässt sich der Barbarossastein vom Lauratal aus erreichen, wie das Tal der Scherzach zwischen Schlier und Weingarten genannt wird. Ein Fußweg führt von einem kleinen Parkplatz an der Kreisstraße K 7948 zum Barbarossastein. Gegenüber vom Parkplatz geht es zunächst über eine Brücke über die Scherzach nach unten und von dort aus über 143 Stufen zum Denkmal hoch.
1. | Johann Jacob Moser: Schwäbische Chronik. Erweiterte deutsche Übersetzung der Annales Suevici von Martin Crusius, Frankfurt 1733, S. 530. |
2. | Knut Görich: Friedrich Barbarossa. Eine Biografie. München 2011, S. 27-28. |
3. | Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Ravensburg. Stuttgart und Tübingen 1836, S. 158. |
4. | Kai-Michael Sprender: 100 Jahre Barbarossastein im Haslachwald. In: Blätter des Schwäbischen Albvereins 2/2010, S. 16-17. |