Burgstall "Burren" bei Wäschenbeuren
Schon im 11. Jahrhundert stand hier ein Wohnturm – Wiege der Staufer?
Bei Wäschenbeuren im Landkreis Göppingen gibt es in Sichtweite des Hohenstaufen nicht nur die gut erhaltene Wäscherburg aus dem 13. Jahrhundert, sondern auf dem nahegelegenen Burren einen auf seine Art nicht weniger spektakulären Burgstall, der auf einen Wohnturm aus dem 11. Jahrhundert zurückgeht.
VON PETER KOBLANK (2015)
Blick vom Süden auf die Wäscherburg (rechts). Auf dem Burren befindet sich knapp sechshundert Meter westlich ein Burgstall hinter der Hecke am Bildrand links neben dem Wasserturm. – Unter einem Burgstall versteht man eine ehemalige Burg, von der nicht einmal mehr eine Ruine übriggeblieben ist. Die Fachliteratur kennt dafür auch den Begriff abgegangene Burg.
Der Name kommt wahrscheinlich vom alt- und mittelhochdeutschen būr, das für ein festes Haus steht und von dem das Verb bauen, aber auch das Substantiv Bauer (Vogelkäfig) abstammen. Um die Geschichte des Burren zu klären, beauftragte der Geschichts- und Altertumsverein Göppingen e.V. vor über fünfzig Jahren das Staatliche Amt für Denkmalpflege in Stuttgart, eine Grabung durchzuführen. Diese fand in der Zeit vom 21. bis 30. Oktober 1957 statt und lieferte wertvolle Erkenntnisse.1
Erster Wohnturm (Romanik)
Der quadratische Wohnturm aus romanischer Zeit, dessen Fundamente 1,8 Meter unter der heutigen Grasnarbe des Turmhügels entdeckt wurden, hatte einen Querschnitt von acht mal acht Metern, 1,5 Meter starke Wände und eine Innenfläche von 25 Quadratmetern. Er war mit einem viereckigen, sechzig Zentimeter tiefen und anderthalb Meter breiten Graben umgeben. An dessen Außenrand befand sich eine Holzpalisade, von der deutliche Spuren und sogar ein vermoderter, aber noch nicht völlig vergangener Pfahl gefunden wurden.
Diese erste Anlage, die in romanischer Zeit um 1000 bis 10502 erbaut wurde, war von Palisade zu Palisade lediglich 18 Meter breit. Der unbedeutende Graben samt der Palisade diente wohl weniger der Verteidigung und kann nur als Umzäunung und Abgrenzung nach außen gedeutet werden.
Zweiter Wohnturm (Gotik)
Der erste Wohnturm wurde in gotischer Zeit um 1250 bis 13003 durch einen neueren Wohnturm ersetzt, dessen Fundamente etwas weiter nördlich vom ersten Turm entdeckt wurden. Der zweite Wohnturm war ebenfalls quadratisch und hatte eine Kantenlänge von nur 6,7 Meter. Trotzdem war seine Innenfläche auf Grund der nur siebzig Zentimeter starken Wände mit 28 Quadratmetern etwas größer als die des Vorgängers.
Dem Bau des jüngeren Turms ging die Aushebung des viereckigen, heute noch vorhandenen und damals einen Meter tieferen Grabens voraus, dessen Aushub zur Aufschüttung des Burghügels von achtzehn auf achtzehn Meter Oberfläche und eines inzwischen verschleiften Außenwalles diente. Die Aufschüttung der Erstanlage betrug im Maximum nahezu zwei Meter.
Da der zweite Turm gegenüber dem Vorgängerbau weiter an den Nordrand des Hügels gerückt wurde, ist zu vermuten, dass auf der restlichen Fläche innerhalb des Grabens weitere Bauten, allerdings aus Holz, standen.
Rekonstruktionsversuch der kleineren, um 1000 bis 1050 erbauten romanischen Anlage (Bild links) und der größeren, um 1250 bis 1300 erbauten gotischen Zweitanlage (rechts). Bei der jüngeren Anlage handelt es sich um eine Turmhügelburg, in der Fachwelt auch als Motte (von frz. motte: Klumpen, Erdsode) bezeichnet. Zeichnungen: Günter Schmitt: Burgenführer Schwäbische Alb. Band 1 Nordost-Alb. Biberach 1988, S. 93.
Die zweite Wohnturmanlage am Burren existierte parallel zur nahegelegenen Wäscherburg, die bereits zwischen 1220 und 12504, also einige Jahrzehnte früher erbaut wurde. Die Datierung der Zweitanlage am Burren basiert auf dem Fund von Scherben eines Topfes. Da dieser ein gotisches Profil hat und in der Aufschüttung zwischen Turm 1 und 2 gefunden wurde, ergibt sich für den zweiten Turm eine zeitliche Untergrenze.
Da Burren und Wäscherburg nebeneinander existierten, ist es unzutreffend, wenn gelegentlich von "Vorgängeranlagen der Wäscherburg auf dem Burren" geschrieben wird.5
Dritter Bau (um 1750) und Verkauf zum Abbruch (1861)
Mitte des 18. Jahrhunderts ließ der württembergische Obervogt Sailer in der Anlage am Burren einen dritten Bau errichten,6 dessen Fundamente ebenfalls bei den Grabungen im Jahre 1957 gefunden wurden. Obervögte waren damals die höchsten Beamten und direkt dem Herzog von Württemberg unterstellt. Sie waren in ihrem jeweiligen Amtsbereich der oberste Gerichts-, Verwaltungs- und Militärbeamte und hatten die Rechte des Landesherrn wahrzunehmen. Die Obervogteien waren in gewissem Sinne Vorläufer der heutigen Landratsämter. – Dieses neuzeitliche turmähnliche Gebäude wurde 1861 auf Abbruch verkauft.
Der heutige Burgstall
Die ehemalige Wohnturmanlage auf dem Burren war eine Turmhügelburg, in der Fachwelt auch als Motte (von frz. motte: Klumpen, Erdsode) bezeichnet. Heute ist sie nur noch ein Burgstall. Unter einem Burgstall versteht man eine ehemalige Burg, von der nicht einmal mehr eine Ruine übriggeblieben ist. Die Fachliteratur kennt dafür auch den Begriff abgegangene Burg. Im Vergleich mit anderen Burgställen ist der Burren noch sehr gut erhalten.
Die bei den Ausgrabungen im Jahre 1957 entdeckten Fundamente der mittelalterlichen Wohntürme wurden anschließend wieder zugeschüttet. Das Flurstück 1600 gehört inzwischen der Katholischen Kirchengemeinde Wäschenbeuren7 und wird zur Haltung von Schafen wirtschaftlich genutzt.
Am Wasserturm, Blick aus östlicher Richtung. Der Burgstall Burren liegt südwestlich des Wasserturms und ist ringsherum von einer dichten Hecke umgeben, im Bild links.
Innerhalb der Hecke sieht man den teilweise noch drei Meter tiefen Graben um den 18 mal 18 Meter großen Turmhügel (Bildmitte links) der jüngeren Zweitanlage aus dem 13. Jahrhundert. In diesem Turmhügel befinden sich heute noch die mittelalterlichen Fundamente der beiden Wohntürme aus romanischer und gotischer Zeit sowie des neuzeitlichen Bauwerks aus dem 18. Jahrhundert. Um den Graben verläuft ein verschleifter Außenwall (Vordergrund und rechts). Der Blick ist von Osten aus, der Standort ist auf der Zeichnung weiter unten mit einem rotem Punkt markiert. – Ursprünglich gab es hier eine ältere, noch kleinere Anlage, die in romanischer Zeit im 11. Jahrhundert dort errichtet wurde, wo im 13. Jahrhundert der Turmhügel der Zweitanlage aufgeschüttet wurde.
Grundriss des Burgstalls auf dem Burren. Die romanische Erstanlage war deutlich kleiner, als die heute sichtbaren Reste der jüngeren Zweitanlage aus spät- oder poststaufischer Zeit. Die Palisaden um den ersten Wohnturm standen auf der mit Ziffer 4 gekennzeichneten Begrenzungslinie und waren von einem nur sechzig Zentimeter tiefen, eher symbolischen Graben umgeben. Zeichnung: Günter Schmitt: Burgenführer Schwäbische Alb. Band 1 Nordost-Alb. Biberach 1988, S. 92.
"Wiege der Staufer"?
Herzog Friedrich I. von Schwaben, der auf dem drei Kilometer weiter südlich vom Burren liegenden Hohenstaufen auf 684 Meter Höhe eine Burg erbaut bzw. diese mit einer Siedlung erweitert hat, hatte einen Vater, der in einer Stammtafel aus dem 12. Jahrhundert mit Fridericus de Buren (dt.: Friedrich von Büren) benannt ist.8 Man hat sich angewöhnt, dieses Buren ohne Beleg aus geografischen Überlegungen mit Wäschenbeuren gleichzusetzen9 und die "Wiege der Staufer" dort zu verorten.
Der archäologische Fund am Burren deutet jedoch nicht auf eine Stammburg der Staufer. Zwar stammt die ursprüngliche Anlage mit dem ersten Wohnturm, dem kleinen Graben und der 18-Meter-Palisade wahrscheinlich aus der Zeit, in der Friedrich von Büren gelebt hat. Für einen Grafensitz des 11. Jahrhunderts erscheint sie aber zu klein.10 Auch die Wäscherburg kommt dafür nicht in Frage: Der heute noch erhaltene Bau kann erst im 13. Jahrhundert errichtet wurden sein, und ältere Bauspuren sind dort nicht nachgewiesen.10
Der Ortsname Büren ist zudem alles andere als selten. Da Friedrich von Büren vor der Zeit gelebt hat, in der sein Sohn sich auf dem Hohenstaufen etablierte und das Kloster Lorch stiftete, verliert auch das Argument der örtlichen Nähe an Bedeutung.11
1. | Hartwig Zürn: Ausgrabungen auf dem "Burren" bei Wäschenbeuren (Kr. Göppingen). Württembergischer Geschichts- und Altertumsverein (Hrsg.): Fundberichte aus Schwaben, Neue Folge 15, Stuttgart 1959, S. 110-115 |
2. | Günter Schmitt: Burgenführer Schwäbische Alb. Band 1 Nordost-Alb. Biberach 1988, S. 89-94. Hier: S. 91. |
3. | Schmitt S. 91. |
4. | Schmitt S. 79. |
5. | Peter Koblank: Errata der Stauferstelen. Man sollte die Worte genau prüfen, die man in Stein hauen lässt. |
6. | Schmitt S. 91 u. 94. |
7. | Schriftliche Auskunft der Gemeinde Wäschenbeuren an den Autor vom 19. Januar 2015. |
8. | Peter Koblank: Tabula consanguinitatis von Wibald von Stablo. Kein Scheidungsgrund für die Ehe von Friedrich I. Barbarossa mit seiner ersten Ehefrau Adela. |
9. | Hansmartin Decker-Hauff: Das Staufische Haus. In: Württembergisches Landesmuseum (Hrsg.): Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst - Kultur, Stuttgart 1977, Band III, S. 339-374, hier: S. 344. |
10. | Hans-Martin Maurer: Der Hohenstaufen. Geschichte der Stammburg eines Kaiserhauses. Stuttgart/Aalen 1977, S. 18. – Siehe auch oben im Grundriss die mit Ziffer 4 gekennzeichnete Begrenzungslinie, auf der die Palisaden der romanischen Anlage standen. |
11. | Daniel Ziemann: Die Staufer - Ein elsässisches Adelsgeschlecht?? In: Hubertus Seibert, Bernd Schneidmüller (Hrsg.): Grafen, Herzöge, Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152). Thorbecke, Ostfildern 2005, S. 99-133, hier: S. 109. |
Bericht über die Ausgrabung von 1957
Der Burgstall im Januar 2015 - mit und ohne Schnee
Der Burgstall befindet sich hinter der Hecke südwestlich neben dem Wasserturm.
Wenn die Bäume im Winter kein Laub tragen, hat man von dem im Nordosten stehenden, öffentlich nicht zugänglichen Wasserturm aus 28 Meter Höhe einen recht guten Blick in die kleine rechteckige Anlage. Im 13. Jahrhundert wurde der ursprüngliche Wohnturm aus dem 11. Jahrhundert abgerissen und die größere Zweitanlage in den heute noch gut erkennbaren Ausmaßen mit Turmhügel, Graben, Wall und einem neuen Wohnturm errichtet. In der Mitte befindet sich der Turmhügel, links daneben der östliche Graben und dahinter der mit Regen- und Schmelzwasser gefüllte südliche Teil des Grabens, der in der Mitte durch eine wohl neuzeitliche Aufschüttung (oben im Grundriss Nr. 9) unterbrochen ist. Im Hintergrund befindet sich die Gemeinde Wäschenbeuren.
Etwa in der Mitte zwischen der Straße und dem Gatter ist die ansonsten sehr dichte Hecke einigermaßen durchgängig (links). Will man innerhalb der Hecke die Anlage nicht nur vom Rand aus betrachten, sondern auch auf den Turmhügel, muss man innerhalb des Grundstücks über einen flexiblen Elektro-Maschenzaun (rechts) steigen, der etwa einen Meter hoch ist, aber wohl nur unter Strom steht, wenn sich Schafe im Gelände befinden.
Bei einem Besuch des Inneren der Anlage ist der Schnee ein paar Tage später schon wieder verschwunden. Der Graben des Burgstalls ist teilweise mit Regen- und Schmelzwasser gefüllt. Der Blick von Norden aus zeigt deutlich die rechtwinklige Form der Anlage, die im 13. Jahrhundert auf diese Ausmaße vergrößert wurde. Der damals errichtete zweite Wohnturm stand direkt gegenüber auf der Nordseite des Turmhügels.
Blick von der Nordostecke aus in Richtung Turmhügel. Früher war der Hügel weniger abgerundet und außerhalb des Grabens, von wo aus das Bild aufgenommen ist, befand sich ein höherer Wall, der in den letzten Jahrhunderten abgetragen wurde. Der heute noch bis zu drei Meter tiefe Graben war ursprünglich vier Meter tief.
Blick von der Südostecke aus in Richtung Turmhügel.
Blick von Süden auf die Grabenaufschüttung mit dem Übergang zum Turmhügel. Dieser Übergang wurde erst später aufgeschüttet, vielleicht im Zusammenhang mit dem dritten Bau um 1750. Im Mittelalter muss man sich hier oder an einer anderen Stelle eine Holzbrücke über den Graben vorstellen, die man bei Gefahr in irgendeiner Weise einziehen konnte.
Blick von der Südwestecke aus zur Grabenaufschüttung mit dem Übergang zum Turmhügel.
Bericht über die Ausgrabung von 1957