Der Historiker
Walter Ziegler ist beim Komitee für Stauferfreunde der Experte für die Inschriften der Stauferstelen, von denen seit dem Jahr 2000 über zwanzig Versionen in fünf europäischen Staaten aufgestellt sind. Diese Texte müssen nicht nur informativ und verständlich sein. Da sie für Jahrtausende in Stein gemeißelt werden, haben sie von Anfang an höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Daher stimmt Ziegler seine Entwürfe zusätzlich mit den Stadtarchivaren der Aufstellungsorte ab.
Das folgende Zeitungsinterview wurde im Frühjahr 2012 veröffentlicht, als der Historiker, der 42 Jahre lang für den Landkreis Göppingen als Kreisoberarchivrat tätig war, in den Ruhestand ging.
In zwei Sätzen: Was ist eigentlich die Aufgabe eines Kreisarchivars?
Er muss sich erstens um die Archive der Städte und Gemeinden kümmern, die keinen hauptamtlichen Archivar haben, und zweitens um das Archiv des Landkreises - das heißt, im Prinzip um alle Akten, die älter sind als 30 bis 40 Jahre und teilweise bis ins 16. Jahrhundert bei den Gemeinden vorhanden sind.
Ist das ein attraktiver Job?
Ja, es ist eine sehr interessante, vielseitige Arbeit, die viele Bereiche tangiert.
Dann müsste es ja viele Bewerbungen für ihre Stelle geben?
Es werden schon einige Bewerbungen kommen, aber der Kreis ist reduzierter, als wenn es eine Museumsstelle wäre. So viele Archivare gibt es nicht. Ich kenne keinen arbeitslosen Archivar.
Sie waren fast 42 Jahre lang Kreisarchivar. Was war für Sie die spannendste Zeit?
Jedes Jahrzehnt hatte da seine Höhepunkte. Die 70er Jahre waren geprägt von vielen Gemeindejubiläen und Heimatbüchern, vom Stauferjahr 1977, in dem wir die Straße der Staufer kreiert haben, es entstand in Teamarbeit ein Stauferstättenführer und der Dokumentationsraum der Staufergeschichte. Dann wurde die Veröffentlichungsreihe des Landkreises ins Leben gerufen. Das Sagenbuch ist erschienen und - für mich ein besonders schönes Werk - die Romantische Filstalreise...
Spielt da auch Erfahrung eine Rolle?
Natürlich: Je mehr Berufserfahrung man hat und je öfter man mit den Quellen zu tun hat, desto mehr kann man entdecken: etwa bei Pergamenturkunden aus der Stauferzeit, wo einem, nimmt man sie zum dritten, vierten Mal zur Hand, plötzlich ganz andere Erleuchtungen kommen. Hinzu kommen die Kenntnisse der heimischen Landschaft, die ich von Kindesbeinen an kenne. Das war bei mir sicher ein Vorteil.
Sie setzen sich seit Jahren für ein großes Staufermuseum ein, halten aber nicht viel von einer Stauferburg. Warum?
Für einen Wiederaufbau der Stauferburg sind die Anhaltspunkte einfach zu gering. Das wäre ein Wagnis sondersgleichen und würde viele Befunde zerstören. Das scheidet aus vielerlei Gründen aus. Der Berg lebt von sich selber, so wie er ist.
Und ein Aussichtsturm?Auch ein Aussichtsturm macht nicht viel Sinn. Ich habe mich selber überzeugt: Man sieht von dort nicht viel mehr. Das kann ich durch Fotos belegen. Wenn man die dafür benötigten 750 000 Euro in die Hand nimmt und noch ein bis drei Millionen dazu tut, dann könnte man am Fuß des Berges ein Staufermuseum bauen. Das wäre einzigartig, unser Alleinstellungsmerkmal, und würde touristischen Zulauf bringen. Aber dafür müsste man eben Geld in die Hand nehmen.
Also kein leicht vergrößerter Dokumentationsraum, wie es ihn heute schon gibt, sondern ein großes, eigenständiges Museum?
Ja, das geht nur auf dem entsprechenden Areal, das man erst suchen müsste. Der Platz müsste auch für parkende Busse ausreichen.
Blicken Sie denn mit Wehmut zurück auf die vergangenen vier Jahrzehnte?
Nein, in keinster Weise. Für mich ist das kein Abschied. Ich bleibe dem Bereich ja erhalten. Nur kann ich mir die Aufgaben jetzt selber stellen.
Werden Sie Ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten in Geschichtsvereinen und der Stauferstiftung weiterführen?
Die Stauferstiftung ist mit dem Archiv eng verbunden, vom Verwaltungsaufwand ist das Kreisarchiv als Geschäftsstelle ideal. Da hoffe ich, dass das auf meinen Nachfolger übergeht. Aber ich bin weiterhin im Kuratorium dabei. Und ich bin momentan noch der Vorsitzende des Geschichts- und Altertumsvereins. Wobei es auch da irgendwann Zeit wird, nach einem Nachfolger zu suchen. Ich bin ja schon seit 1974 Vorsitzender.
37 Jahre, das ist allerdings eine lange Zeit . . .
Ja, manchmal erschrickt man selber.
Jetzt wäre eigentlich wieder Zeit für ein Buch. Es gibt ja schon noch genügend weiße Flecken, die es zu erforschen gilt. Haben Sie sich schon für ein Thema entscheiden?
Der Band 18 des Jahrbuchs Hohenstaufen/Helfenstein ist gerade in der Entstehung. Es wartet das Buch über das Symposium mit der Universität Tübingen vom vergangenen Jahr. An weiteren Ideen fehlt es nicht. Ich hätte Material, um die nächsten 20 Jahre Aufsätze oder Bücher zu schreiben. Allein über Schloss Filseck könnte man ein Buch schreiben.
Interview und Foto: Neue Württembergische Zeitung (NWZ) 3. März 2012
Walter Ziegler (* 1947 in Süßen) ist Historiker und wohnt in Faurndau. Nach seiner Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst qualifizierte er sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und durch ein Studium an der Archivschule Marburg für den gehobenen Archivdienst. 1970 wurde er der erste hauptamtliche Kreisarchivar des Landkreises Göppingen. Seit Mai 1976 war Ziegler außerdem Leiter des Kulturamtes und damit neben dem Kreisarchiv auch für die Heimatpflege, allgemein kulturelle Angelegenheiten sowie die Kreisarchäologie zuständig. Im Frühjahr 1012 ging er als Kreisoberarchivrat in Ruhestand. Ziegler war seit 1974 Vorsitzender des Geschichts- und Altertumsvereins Göppingen und arbeitet seit 2012 in dessen Ausschuss mit. Seit 1994 war er Geschäftsführer der Stauferstiftung, die alle zwei Jahre den Wissenschaftlichen Stauferpreis vergibt, und gehört heute seit 2012 dessen Kuratorium an. Er ist Mitglied im Präsidium der Gesellschaft für staufische Geschichte, Beirat im Württembergischen Geschichts- und Altertumsverein e.V. und Gründungsmitglied des Komitees der Stauferfreunde. 2012 wurde Ziegler mit der Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Im selben Jahr wurde ihm der Premio Federichino verliehen, der von der Gesellschaft für staufische Geschichte Göppingen, der Fondazione Federico II Hohenstaufen di Jesi und der Fondazione Federico II Hohenstaufen di Palermo an Menschen, die sich im Geiste des Staufers Friedrich II. engagiert haben, gemeinsam vergeben wird. Ziegler ist Herausgeber und Autor zahlreicher historischer Schriften. |
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