BAD BOLL 2013
Unmittelbar vor der Einweihung sehen alle Stauferstelen so aus wie diese in Bad Boll. Die Adresse der Stauferstele in Bad Boll ist Kirchplatz 1.
Inschriften der 22. Stauferstele
Wappen des Herzogtums Schwaben BERTA VON BOLL | ||
BERTA | ||
LIUTGARD | ||
KAISER |
Hintergrundinformationen zur Stauferstele
Am Morgen des 3. Oktober 2013 ist die Stauferstele, auf dem linken Bild von der Straße aus gesehen, noch in ein violettes Tuch gehüllt. Das rechte Bild zeigt die Stauferstele von rechts aus mit der Kirche im Hintergrund.
Schon die Kelten und Römer siedelten auf dem Gebiet des heutigen Bad Boll. Nach dem Fall des Limes im dritten Jahrhundert kamen Alemannen in die Gegend. Anfang des neunten Jahrhunderts wurde, etwas entfernt vom damaligen Dorf, auf einem Hügel eine erste Kirche gebaut. Das altdeutsche Wort bol für eine rundliche erhöhte Form ist heute noch im Schwäbischen als Bollen i.S.v. Klumpen erhalten. Die Siedlung bei der Kirche auf dem bol bekam den Namen Boll.
Der Berta-Tag in Bad Boll
Berta-Säule (2010), Werbebanner für den Berta-Tag (2013) |
Der Tag der Deutschen Einheit ist seit dem Jahr 2000 in Bad Boll ein verkaufsoffener Feiertag. 2005 wurde man anlässlich des 850. Jubiläums der ersten Nennung des Ortes in einer Urkunde von Kaiser Friedrich I. Barbarossa sensibilisiert für dessen angebliche Tante, die Gräfin Berta von Boll.
Die Gräfin soll als Witwe nach Boll gezogen sein, dort das Chorherrenstift gegründet und in der Stiftskirche begraben worden sein. Sie soll das Bertamahl gestiftet haben, eine jährliche Mehl- und Brotgabe für jede Boller Familie, weshalb sie bis ins 16. Jahrhundert im Ort als Heilige verehrt wurde.
2005 wurde das Theaterstück Frau Berta auf dem Bollen aufgeführt und seit 2010 wird der 3. Oktober in Bad Boll als Berta-Tag gefeiert. 2010 hat der Boller Bildhauer Alois Wild eine Berta-Säule geschaffen, die seither jedes Jahr am Berta-Tag beim Rathaus aufgestellt wird.
Daher wurde die Stauferstele im Jahr 2013 genau an diesem der Erinnerung an Berta von Boll gewidmeten Tag eingeweiht. Sie steht auf dem Kirchplatz westlich der Stiftskirche St. Cyriakus.
Berta von Boll - eine Stauferin?
Seit der Entdeckung zahlreicher Fehler und anscheinend auch Quellenfälschungen kann jedoch inzwischen "als communis opinio der seriösen Mediävistik gelten, dass man die Aufstellungen und Quellenfunde Decker-Hauffs im Stauferkatalog ignoriert."3
Tatsächlich ist die staufische Abstammung Bertas eine reine Spekulation,4 die in der Fachwelt auch nicht mehr ernst genommen wird.5 Daher fehlt dieser der Berta von Boll gewidmeten Stauferstele die historische Existenzgrundlage. Offensichtlich waren die Stifter, die diese Stele ausgerechnet Hansmartin Decker-Hauff widmeten, sich dessen nicht bewusst.
1. | Heinz Bühler: Zur Geschichte der frühen Staufer. In: Walter Ziegler (Hrsg.): Hohenstaufen. Stauferforschungen im Stauferkreis Göppingen, Göppingen 1977, S. 1-44, hier: S. 30-36. |
2. | Hansmartin Decker-Hauff: Das Staufische Haus. In: Württembergisches Landesmuseum (Hrsg.): Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst - Kultur. Stuttgart 1977, Band III, S. 339-374, hier: S. 349. |
3. | Klaus Graf: Der Mythos Staufer. Eine schwäbische Königsdynastie wird erinnert und instrumentalisiert. In: Schwäbische Heimat 2010/3, S. 296-306, hier: S. 304. |
4. | Tobias Weller: Auf dem Weg zum 'staufischen Haus'. Zu Abstammung, Verwandtschaft und Konnubium der frühen Staufer. In: Hubertus Seibert, Bernd Schneidmüller (Hrsg.): Grafen, Herzöge, Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152), Ostfildern 2005, S. 41-63, hier: S. 58-60. |
5. | Odilo Engels: Die Staufer, Stuttgart 2010 (9. Auflage), ohne Seitenangabe nach S. 250. In der Stammtafel dieses Standwerks wird seit der 7. Auflage (1998) keine Berta von Boll mehr als angebliches Kind von Herzog Friedrich I. von Schwaben und Agnes von Waiblingen genannt. Die Stammtafel der 6. Auflage (1994) hielt sich noch an die Angaben von Decker-Hauffs Genealogie. Siehe auch: Tobias Weller: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2004, S. 226. |
Burgstall "Landsöhr"
Auf dem nördlichen Sporn des Kornbergs namens Landsöhr (auch: Landseer) zwei Kilometer oberhalb von Bad Boll gibt es einen Burgstall der auch als Bertaburg bezeichnet wird. Diese Burg soll der Witwensitz der Berta von Boll gewesen sein.
Mit Burgstall wird in der Burgenkunde eine Burg bezeichnet, von der noch weniger erhalten ist als eine Ruine. Lediglich drei Gräben auf dem Bergsporn geben Anlass zur Vermutung, dass sich zwischen diesen einstmals die mittelalterliche Bertaburg befunden haben soll, wie auf dem in das Foto montierten fünfhundert Meter vom Burgstall entfernten Wegweiser angekündigt. Das Bild zeigt den fünf Meter tiefen Graben, der in den Zeichnungen weiter unten mit der Ziffer 2 gekennzeichnet ist.
Burgstall Landsöhr. 1=Wall, 2=Graben I, 3=Graben II, 4=Graben III, 5=Aussichtspunkt, 6=Schutzhütte (1960) 7=Vorburg, 8= Hauptburg, 9=Weg, 10=Unterbrochener Wall, 11=Zwinger. Zeichnungen: Günter Schmitt: Burgenführer Schwäbische Alb. Band 1 Nordost-Alb. Biberach 1988, S. 325.
Boll (FK NO 1138; Top. K. 7323) 2 km SSO liegt im Gemeindewald auf einer schmalen, vom Albrand gegen W vorspringenden Zunge, dem "Landsöhr", die ehemalige mittelalterliche Bertaburg. Die lang ausgezogene und flach abfallende Spitze der Bergzunge wird durch einen kurzen, rund 2 m tiefen Graben abgeschnitten. Nach rund 60 m folgt ein zweiter, etwa 2 m tiefer Spitzgraben und nach weiteren 70 m ein flacher, 1 m hoher Abschnittswall mit einem 5 m tiefen Spitzgraben davor. Mauerreste sind nirgends zu sehen. Lit.: OAB Göppingen 165, 168 - Kunst- und Altertumsdenkmale Göppingen 76 - Königreich Württbg. IV 193 - J. Illig 1924, 57 f. - K. A. Koch 1926 (3), 195 - H. Mayer 1960. Hartwig Zürn: Die vor- und frühgeschichtlichen Geländedenkmale und die mittelalterlichen Burgstellen der Kreise Göppingen und Ulm. Stuttgart 1961, S. 5-6. |
Erläuterung der Inschriften
Stauferlöwen. Berta von Boll (* um 1089; um 1142) Berta war in erster Ehe mit Graf Adalbert (auch: Albert) von Ravenstein (bei Steinenkirch im Landkreis Göppingen) und von Elchingen ( um 1121) vermählt. 1120 soll sie ihre Burg gestiftet haben, um sie in das heute noch existierende Kloster Elchingen umzuwandeln. In zweiter Ehe war Berta mit dem vor 1138 verstorbenen Graf Heinrich II. von Berg (bei Schelklingen) verheiratet. Danach soll sie auf eine heute nicht mehr bestehende Burg Landsöhr, auch Bertaburg genannt, auf dem 739 Meter hohen nördlichen Sporn des Kornbergs, zwei Kilometer südöstlich von Boll, gezogen sein. Sie soll in Boll das Chorherrenstift gegründet und dem Bistum Konstanz vermacht haben und soll in der Stiftskirche begraben worden sein. – Auf dem Sockel stehen die Stifter Elisabeth Meyer-Fezer und ihr Ehemann Friedrich Meyer, die die Stauferstele gaben (lat.:dederunt) und der Bildhauer Markus Wolf, der sie 2013 machte (lat.: fecit).
Der Inschrift der Stauferstele liegt dieser fiktive Stammbaum zugrunde, der auf der Behauptung basiert, dass Berta ein Tochter von Friedrich I. Herzog von Schwaben war (s.o.). Hier sind nur die für den angeblichen Adelsrang von Berta von Boll und ihrer Tochter Liutgard relevanten Personen dargestellt und auf sämtlichen Ebenen alle weiteren Geschwister weggelassen.
- Berta wäre dann die Enkelin, Nichte und Tante dreier Kaiser und die Schwester eines Königs
- Liutgard wäre dann die Urenkelin, Großnichte und Cousine dreier Kaiser und die Nichte eines Königs
Dabei darf man nicht übersehen, dass beide Frauen längst tot waren, als Friedrich I. Barbarossa im Jahre 1152 König und drei Jahre später Kaiser wurde.
Bad Boll. Das Wappen zeigt vor grünem Hintergrund eine liegende schwarze Hirschstange auf einem silbernen Brunnenbecken mit aufsteigenden silbernen Wasserstrahlen. Der Brunnen weist auf das Schwefelbad des Ortes hin, die Hirschstange auf die württembergische Zugehörigkeit. – Berta von Boll soll das Bertamahl gestiftet haben, eine jährliche Mehl- und Brotgabe von etwa zwanzig Kilogramm für jede Boller Familie, weshalb sie bis ins 16. Jahrhundert in Boll als Heilige verehrt wurde. Siehe auch: Gemeinde Bad Boll: Gräfin Berta von Boll PDF 1,9 MB – Auf dem Sockel stehen die beiden Personen, an die die Stele erinnern (lat.: in memoriam) soll.
Sachsen. Das Landeswappen Sachsens zeigt im neunmal von Schwarz und Gold geteilten Feld einen schrägrechten grünen Rautenkranz. – Liutgard von Ravenstein (* um 1104; um 1145), Gräfin von Elchingen, eines der zwölf Kinder aus der ersten Ehe von Berta, heiratete den Markgrafen Konrad von Wettin (um 1098-1157), ab 1123 Markgraf von Meißen und ab 1136 der Mark Lausitz. Aus dem Hause der Wettiner gingen später Herzöge, Kurfürsten und Könige von Sachsen hervor.
Tatsächlich sagt man sich beim Betreten der Kirche: Und deswegen sind wir mühsam hierher gefahren? Aber genau das ist die heutige Ungeduld, immer etwas Besonderes zu erwarten. Dabei ist es gerade das Besondere, einmal die schmucklose, einfache Urform vorzufinden. Man setze sich hin und gucke sich alles bewusst der Reihe nach an und lasse es auf sich wirken: die flachen Holzdecken (und keine Gewölbe), der flache Chor (ohne Apsis), die wuchtigen, viereckigen Säulen (nachträglich zu Achtecken geschliffen, um etwas von ihrer Schwere wegzunehmen), die einfachen Kapitelle (ohne jeden Schmuck), die glatten, weißen Wände, der große Bogen, der Schiff und Chor trennt – es ist tatsächlich ein Bild von ausgeglichener Harmonie, das nur durch die gotische Kanzel und die Kanzeltreppe gestört wird. Johannes Lehmann: Barbarossa & Co. Reise zu den Staufern in Südwest- deutschland. Tübingen 2007, S. 78 f |
Reichsadler. Kaiser Friedrich I. Barbarossa ließ am 27. November 1155 für Bischof Hermann I. von Konstanz eine Urkunde ausstellen, in der Boll erstmals erwähnt wird. Ein Goldsiegel unterstreicht die Bedeutung dieser Urkunde, in der der Kaiser die Rechte, Besitzungen und Grenzen des damals größten Bistums im Reich bestätigte. Barbarossa erfüllte damit eine Bitte des Bischofs, der ihn beim Konstanzer Frieden von 1153 unterstützt und dadurch die Kaiserkrönung in Rom im Juni 1155 ermöglicht hatte. In einer Auflistung der Abteien und Propsteien erscheint Boll zusammen mit Sindelfingen: ...itemque prepositure censuales Bolla et Sindeluinga (dt.: ...und die zinspflichtigen Propsteien Boll und Sindelfingen). Mit Propstei war ein Chorherrenstift gemeint, dessen Chorherren keine Mönche, sondern Weltgeistliche waren. Sie lebten von den Einkünften ihrer Höfe und wohnten wahrscheinlich in Häusern rund um die Kirche. Mehrmals im Jahr versammelten sich der Propst und die Chorherren im Chor der Kirche und verrichteten die üblichen acht Stundengebete. Die Boller Propstei bestand über dreihundert Jahre und wurde 1463 mit dem Stift Oberhofen bei Göppingen vereinigt. – Die Stiftskirche in Bad Boll ist dem Hl. Cyriakus gewidmet, einem Märtyrer, der in der Zeit der Christenverfolgung im Jahre 303 in Rom enthauptet wurde. Sein Name bedeutet dem Herrn gehörig. Er ist einer der vierzehn Nothelfer und soll in der Todesstunde gegen Anfechtungen hilfreich sein. Da er auch vor Frost und schlechtem Wetter schützen soll, ist er der Schutzpatron der Winzer.
Erste Erwähnung Bolls in der Urkunde von 1155.
Bauliche Zeugnisse der Stauferzeit
Die Stiftskirche St. Cyriakus ist eine in reiner Form erhaltene romanische dreischiffige flachgedeckte Pfeilerbasilika aus der Zeit um 1200. Der Turm, der zunächst als freistehender Campanile entstand, wurde in der Folge immer wieder in seinem Aussehen verändert.
Das Innere der Stiftskirche bei der Einweihungsfeier der Stauferstele. Die nachträglich zu Achtecken veränderten Pfeiler waren ursprünglich viereckig, so wie heute noch der Pfeiler vorne links mit dem Fresko aus dem 15. Jahrhundert. Der achteckige Taufstein aus Stubensandstein in der Mitte vor dem Chor stammt möglicherweise aus der Gründungszeit; sein heutiges Aussehen erhielt er im Jahr 1902. Das Holzkruzifix im Chor und die Kanzel, auf der Pfarrer Tobias Schart steht, sind gotisch, der Schalldeckel der Kanzel barock.
Aus der Erbauungszeit der Kirche stammt eine kleine achteckige spätromanische Säule mit Blattschmuck am Kapitell, die links vor dem Chor steht. Sie diente während der Messe als Piscina, also als Becken für die Handwaschung des Priesters. Durch die vertikale Rinne konnte das Wasser abfließen. Es ist eine Spolie, möglicherweise die Trennungssäule eines zweiteiligen Rundbogenfensters - vielleicht von der abgegangenen Bertaburg.
Über eine Bodenklappe im Chor gelangt man über eine kleine Leiter hinunter in die sechs Meter lange und vier Meter breite, der Öffentlichkeit nicht zugängliche Krypta der Vorgängerkirche, die wohl aus dem 11. Jahrhundert stammt. Das Tonnengewölbe der Krypta wurde bei der Tieferlegung des Chors im 16. Jahrhundert zerstört. An der Westwand der Krypta befinden sich zwei Eingänge, die über eine heute verschüttete Treppe mit dem Hauptschiff verbunden waren. Im linken Bild sieht man den nördlichen Eingang. Auch der Sockel eines Altars ist noch erhalten (rechtes Bild).
Einweihung
Rund 250 Gäste waren nach dem Gottesdienst auf dem Kirchplatz versammelt, darunter etwa zwei Drittel von auswärts. Noch ist die Stauferstele mit einem Tuch verhüllt.
Oberbürgermeister Pavel Vanouek aus Cheb (links) bei seiner Ansprache. Bei ihm in Tschechien war im Juli die Stauferstele vor Bad Boll eingeweiht worden. Das Mikrofon hält Vizebürgermeister Michal Pospíil aus Cheb.
Der Moment der Enthüllung.
Stifter der Stauferstele
Elisabeth Meyer-Fezer und Prof. Dr. phil. Friedrich Meyer (1929-2013)
In memoriam
Prof. Dr. Hansmartin Decker-Hauff (1917-1992)
Dieter Fezer (1948-1997)
Einweihung: 3. Oktober 2013
Film von der Einweihung |
Predigt von Pfarrer Tobias Schart
Bad Boll liegt an der "Straße der Staufer"