DINKELSBÜHL 2013
Die Stauferstele vor der Evangelisch-Lutherischen St.-Paulskirche im Zentrum der historischen Altstadt unmittelbar nach ihrer Enthüllung. Die Adresse ist Nördlinger Straße Ecke Klostergasse.
Inschriften der 23. Stauferstele
Wappen des Reichs FRIEDRICH I. | ||
FREIE REICHSSTADT | ||
DIE STADTKIRCHE | ||
UNTER KAISER |
Hintergrundinformationen zur Stauferstele
Stauferstele mit Blick auf die St.-Georgs-Kirche mit ihrem romanischen Turm, dessen untere fünf Stockwerke bis zur Sonnenuhr aus der Stauferzeit stammen.
St.-Georgs-Kirche mit romanischem Westportal aus der Stauferzeit. |
Dinkelsbühl wurde wahrscheinlich im 8. Jahrhundert zur Sicherung einer Fernwegekreuzung an einer Wörnitzfurt als fränkischer Königshof gegründet. Der Ortsname setzt sich aus bühl (hügelige Landschaft) und dem Eigennamen Thingolt, wohl der Verwalter des dazugehörigen Reichslands, zusammen.
Im 10. Jahrhundert wurde die Kreuzung zweier bedeutender Handelswege Ostsee-Mitteldeutschland-Italien und Worms-Prag-Krakau nahe der Furt beim heutigen Dinbkelsbühl mit einer Turmhügelbefestigung versehen.1 Unter der Herrschaft der Salier und Staufer entwickelte sich Dinkelsbühl zum dynastischen Eigengut.
Auf eine Stauferburg deuten auf Grund ihrer Steinbearbeitung die Kellergewölbe im "Haus der Geschichte" hin. Ebenfalls aus der Stauferzeit stammen die unteren Turmgeschosse und das romanische Portal der St.-Georgs-Kirche. Steinquader der spätstaufischen Stadtmauer sind im Bereich des Wörnitztors und am Dreigangsturm zu finden.
1826 erließ König Ludwig I. für Bayern eine Verordnung, die den Abbruch der Mauern und Türme verbot und zum Erhalt des alten Dinkelsbühls beitrug. Da die ehemalige Reichsstadt und heutige Große Kreisstadt beide Weltkriege unbeschädigt überstand, zählt die vollständig erhaltene historische Altstadt zu den bedeutendsten Kunstdenkmälern Europas.
Erläuterung der Inschriften
Reichsadler. Die Stadt Dinkelsbühl wurde zwischen 1170 und 1180 durch den Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa auf staufischem Hausgut an der Kreuzung zweier Fernstraßen gegründet. Die in West-Ort-Richtung von Worms über Prag nach Krakau führende alte Fernstraße wird gelegentlich als Nibelungenstraße bezeichnet. Diese Bezeichnung ist falsch, denn die Reise der Burgunder von Worms nach Ungarn zu Etzels Hof ist im Nibelungenlied anders beschrieben: Reise auf dem Mainstrom an hinauf durch Ostfranken ... von Ostfranken nach Schwanefelde ritten ... der König an die Donau kam.2 Der Main fließt nördlich von Dinkelsbühl bei Würzburg und von da geht es in südöstlicher Richtung weiter zur Donau. Daher kann der Weg der Nibelungen abgesehen davon, dass es sich um eine Sage handelt, aus naheliegenden geografischen Überlegungen vom Mittelrhein zur Donau nicht durch das heutige Dinkelsbühl geführt haben. – Auf dem Sockel stehen die Stifter Ingeborg und Andreas Raab, die die Stauferstele gaben (lat.: dederunt) und der Bildhauer Markus Wolf, der sie 2013 machte (lat.: fecit).
Dinkelsbühl. Das Wappen von Dinkelsbühl zeigt vor rotem Hintergrund einen silbernen Dreiberg, aus dessen drei Gipfeln je eine goldene Ähre wächst. Erstmalig urkundlich erwähnt ist Dinkelsbühl 1188 in einem Ehevertrag als burgum Tinkelspuhel cum pertinentiis als Bestandteil der Morgengabe für die Braut. Der lateinische Begriff burgum wurde im Hochmittelalter für Burgen und befestigte Städte verwendet; cum pertinentiis steht sinngemäß für mit dem was dazugehört. Kaiser Friedrich I. Barbarossa vereinbarte 1188 im Seligenstädter Vertrag die Verlobung seines 1172 geborenen Sohnes, des späteren Herzog Konrad II. von Schwaben, mit Berengaria, Tochter von König Alfons VIII. von Kastilien. Die Übergabe staufischen Besitzes an die Braut wird in der Urkunde als donatio propter nuptias bezeichnet, womit eine Zuwendung des Ehemanns an die Frau als Witwenvorsorge (Morgengabe) gemeint ist. Allerdings ist dieser Ehevertrag nicht verwirklicht worden. – Siehe auch: Vertrag von Seligenstadt 1188.
St. Georg. Die dem Hl. Georg geweihte Stadtkirche gehörte einer sechs Kilometer südlich von Dinkelsbühl liegenden Propstei des Klosters Hirsau in Mönchsroth, deren Vogt laut einer Urkunde von 1227 König Heinrich (VII.) war. 1558 wurde das Kloster Mönchsroth im Zuge der Reformation aufgehoben, die Güter vom Amt Mönchsroth der Grafschaft Oettingen verwaltet. Von der früheren Anlage ist außer der Klosterkirche nichts erhalten geblieben. – Auf dem Sockel stehen die Eltern der Stiffter, an die die Stele erinnern soll.
Stauferlöwen. 1241 betrug die jährliche Reichssteuer von Dinckelspvel 40 Mark. Die durchschnittliche Reichssteuer der 92 Städte und Dörfer, die im Reichssteuerverzeichnis von 12413 aufgeführt sind, lag (einschließlich Judensteuer, die aber in Dinkelsbühl nicht anfiel) damals bei knapp 73 Mark. Dinkelsbühl lag mit 40 Mark gemeinsam mit Orten wie Nimwegen, Rheinfelden, Rottweil oder Wimpfen im unteren Mittelfeld. Siehe auch: Die älteste Stauferstadt. Schwäbisch Gmünd wurde vor 1162 gegründet. – König Konrad IV., der 1237 von seinem Vater Friedrich II. als Nachfolger von Heinrich (VII.) eingesetzt worden war, verpfändete die civitas Dinkelspuhel (dt.: Stadt Dinkelsbühl) 1251 an Graf Ludwig von Oettingen. 1274 hatte Dinkelsbühl den Rang einer freien Reichsstadt und erhielt 1398 durch Verleihung der Hochgerichtsbarkeit alle Rechte einer Stadt.
Konrad IV. trug auch den Titel eines Königs von Jerusalem. Mehr dazu: Das "staufische" Königreich Jerusalem.
1. | Joachim Kolb: Dinkelsbühl: Entwicklung und Struktur, München 2009, S. 4. |
2. | Karl Simrock (Übersetzer): Das Nibelungenlied, 1827, 25. Abenteuer, Verse 1569-1570. – 25. Abenteuer als Faksimile der Nibelungenhandschrift A. – Es gibt eine 110 Kilometer lange Ferienstraße, die von Worms durch den Odenwald zum Main führt und seit 1989 als Nibelungenstraße vermarktet wird. |
3. | Notitia de precariis civitatum et villarum (1241), MGH Const, Band 3, S. 1-6. – Der Text auf der Stele mit Dinckelsbuel (richtig: Dinckelspuel) stimmt mit dem Urkundentext nicht überein. |
Bauliche Zeugnisse der Stauferzeit
Links ein Modell, wie man sich die romanische Vorgängerkirche von St. Georg vorstellen kann. Um 1227 wurde ein frei stehender Glockenturm (Kampanile) mit einer repräsentativen Turmhalle und einem romanischem Rundbogenportal ohne Tympanon errichtet. Das dreifach gestufte Portal ruht auf drei Rundsäulen, die in einem Fries mit Rankenornamenten enden. Dieser Turm aus der Stauferzeit, der um 1238 aufgestockt und mit dem Kirchenraum verbunden wurde, hat die Gotisierung des 15. Jahrhunderts überstanden. Das Glockengeschoss mit der Galerie, der oktagonale Aufbau mit der ehemaligen Wohnung des Türmers und die Kupferhaube stammen aus dem 16. Jahrhundert.
Am Wörnitztor sieht man noch Buckelquader der spätstaufischen Stadtmauer. Es gehörte als einziges der vier Stadttore bereits zur ältesten Stadtbefestigung. Das Tor wurde Ende des 14. Jahrhunderts erhöht und erhielt im 16. Jahrhundert einen Renaissancegiebel mit einem Glockentürmchen. Auf der Außenseite (rechts) sind das Wappen von Dinkelsbühl und der Reichsadler als Zeichen der Reichsunmittelbarkeit angebracht. Durch das Tor hindurch sieht man das "Haus der Geschichte" in dem sich auch die Touristeninformation befindet.
Das Alte Rathaus, links auf einem Gemälde von Georg Christian Friedrich Bürklein um 1850, wird heute als "Haus der Geschichte" genutzt. Zu diesem Baukomplex gehört auch das Arnoldhaus, benannt nach einem Patriziergeschlecht. Die Kellerwölbe im Arnoldhaus (rechts) sind auf Grund ihrer Steinbearbeitung der Stauferzeit zuzuordnen. Sie weisen Merkmale des Burgenbaus des 12. Jahrhunderts auf. Möglicherweise planten staufische Ministeriale diesen Bau. Zu den drei Gewölben kommt man über eine Treppe links im Innenhof, die zu den "Gefängniszellen" hinabführt.
Auch am Dreigangsturm (links), der an der Nahtstelle zwischen romanischer und erweiterter Stadmauer steht, befinden sich noch Quader aus der Stauferzeit. Er wurde im 20. Jahrhundert nach den drei Türen zu ursprünglich außen herumführenden Wehrgängen benannt. Zwei der drei Türen sind heute zu Fenstern hochgemauert. Rechts die kleine Bastei, im Vordergrund fließt ein Arm der Wörnitz. Zum Dreigangsturm gelangt man durch das Wörnitztor stadtauswärts und gleich nach rechts an der Wörnitz entlang.
Alle baulichen Zeugnisse aus der Stauferzeit sind von der Stauferstele aus mit wenigen Schritten zu erkunden: Westturm der St.-Georgs-Kirche, Kellergewölbe im Alten Rathaus (heute "Haus der Geschichte" mit Touristeninformation), Buckelquader der alten Stadtmauer beim Wörnitztor und beim Dreigangsturm. Vergrößerter Lageplan
Auf dieser Ansichtskarte "Partie am Mühlgraben" von J. Marschall aus dem Jahr 1914 sind alle oben beschriebenen Bauwerke zu sehen.
Einige Wochen vor der Einweihung ließ die Stadtverwaltung das Fundament, einen Betonwürfel mit einem Kubikmeter Volumen, errichten. Wenige Tage vor Einweihung wurde die Stauferstele errichtet, am 12. Oktober ist sie mit einem Tuch verhüllt. Die Straße vor der St.-Paulskirche ist für die Feier gesperrt.
Der Moment der Einweihung durch den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann.
V.l.n.r.: Joachim Herrmann (Bayerischer Staatsminister des Inneren), Christoph Hammer (Oberbürgermeister von Dinkelsbühl), Andreas und Ingeborg (Stifterehepaar), Markus Wolf (Bildhauer).
Die Stauferstele vor der Evangelisch-Lutherischen St.-Paulskirche im Zentrum der historischen Altstadt von Dinkelsbühl.
Stifter der Stauferstele
Ingeborg und Andreas Raab
In Erinnerung an
Lilli und Friedrich Raab
Marianne und Rolf Knödler
Einweihung: 12. Oktober 2013
Der Türöffner. Interview mit Andreas Raab.