SELM 2022
Stauferstele in Selm auf dem Campus am Sandforter Weg gegenüber vom Jugendzentrum Sunshine. Foto: Claus Gerdel.
Inschriften der 39. Stauferstele
FRIEDRICH I. | ||
OTTO | ||
SOG. TAUFSCHALE CESAR ET AUGUSTUS | ||
SOG. CAPUD |
Hintergrundinformationen zur Stauferstele
Die Stauferstele in Selm steht im Zusammenhang mit den Grafen Gottfried II. und Otto von Cappenberg. Cappenberg ist ein Ortsteil von Selm.
Gründung von Kloster Cappenberg
Die beiden Grafen, die im Investiturstreit zunächst auf der Seite von Kaiser Heinrich V. standen, wechselten später in das Lager der Gegner des Kaisers. An der Seite Lothars von Supplingenburg waren sie an der Eroberung der Stadt Münster beteiligt, die am 2. Februar 1121 niederbrannte.
Wohl aus Reue übergab Ottos älterer Bruder Graf Gottfried II. nach und nach einen Großteil des Cappenberger Besitzes an Norbert von Xanten, den Gründer des Prämonstratenserordens. Mit Zustimmung Ottos wurde die Burg in Cappenberg in das erste Prämonstratenserkloster im deutschsprachigen Bereich umgewandelt. Die Grundsteinlegung für die romanische Stiftskirche erfolgte am 15. August 1122 durch den Bischof von Münster.
Auf den ausgedehnten Ländereien der Cappenberger konnte der Prämonstratenserorden drei weitere Stifte in Ilbenstadt im heutigen Hessen, in Varlar im Münsterland und in Oberndorf (Averdorp) am Niederrhein begründen. Mit der Schenkung der Cappenberger war eine entscheidende Grundlage für die Ausbreitung des Prämonstratenserordens in Deutschland gelegt.1
Gottfried und Otto gaben ihr weltliches Leben auf und ließen sich nach einem einjährigen Aufenthalt in Prémontré, dem Stammkloster der Prämonstratenser, als Kleriker weihen. Gottfried II. starb am 13. Januar 1127. Wenngleich nie kanonisch heiliggesprochen, darf er in den Diözesen Münster und Mainz als Heiliger verehrt werden. Sein Gedenktag ist der 13. Januar.2
Otto war von 1156 bis zu seinem Tod am 23. Februar 1171 – nach anderer Lesart am 26. oder 27. Januar 11713 – der dritte Propst des Klosters Cappenberg. Er wird als Seliger verehrt. Sein Gedenktag ist der 23. Februar, an dem auch die Stauferstele in Selm eingeweiht wurde.
Die heutige Pfarrkirche St. Johannes Evangelist in Cappenberg war die Stiftskirche des von Gottfried und Otto von Cappenberg gestifteten Klosters.
Romanischer Löwenkopf (Bronze, 12. Jhdt.) innen an der Eingangstür. Vergrößerte Ansicht
Nach der Auflösung des Klosters im Rahmen der Säkularisation im Jahre 1803 wurde es in eine preußische Staatsdomäne umgewandelt. 1816 erwarb der preußische Staatsmann Freiherr vom Stein die Anlage als Alterssitz und bewahrte sie vor dem Verfall.
Vom mittelalterlichen Stiftsgebäude und Kreuzgang ist nichts mehr erhalten. Im 17. Jahrhundert wurde ein neues Abteigebäude im Stil des Barock errichtet, das heutige Schloss. Durch Erbfolge ist es heute im Besitz der Grafen von Kanitz. Die ehemalige Stiftskirche ist seit 1832 Pfarrkirche der katholischen Kirchengemeinde "St. Johannes Evangelist".
Taufpate des Kaisers
Die Cappenberger "habentes iuxta Sueviam castra duo Creinekke et Hilderadehusen" (hatten in Schwaben die zwei Burgen Kräheneck und Hildrizhausen).4 Diese gingen nicht an den Prämonstratenserorden, sondern wurden zwischen 1122 und 1124 an Herzog Friedrich II. von Schwaben, den Vater von Kaiser Friedrich I. Barbarossa, verkauft.
Möglicherweise im Zusammenhang mit dieser Transaktion wurde Otto von Cappenberg Taufpate des späteren Kaisers.
Wie auch bei anderen bedeutenden Persönlichkeiten des Mittelalters kennt man von Barbarossa zwar den genauen Todestag, den 10. Juni 1190, aber nicht das Geburtsjahr. Wibald von Stablo schrieb im Jahre 1152 in einem Brief an den Papst, Barbarossa sei "nondum ut credimus annorum triginta" (wie wir glauben noch nicht dreißig Jahre alt).5 Träfe diese unsichere Aussage zu, wäre der Kaiser frühestens 1122, vielleicht aber auch 1123 oder 1124 geboren.
Auch das Datum von Barbarossas Taufe ist nicht bekannt. Sie wird aber in der damaligen Zeit kurz nach der Geburt stattgefunden haben. Sie könnte durchaus zwischen 1122 und 1124 stattgefunden haben, als die Cappenberger ihre beiden Burgen an seinen Vater verkauften.
Dass Otto von Cappenberg sein Taufpate war, ergibt sich aus einer heute noch existierenden Taufschale sowie aus einer Urkunde, die Kaiser Friedrich I. am 21. August 1187 in Worms ausgestellt hat. In dieser Urkunde nimmt er das Prämonstratenserstift Cappenberg in seinen Schutz und erklärt es frei von jeder erblichen oder Lehensvogtei sowie vom Zoll in Kaiserswerth. Dort bezeichnet er Otto als "patrinus noster" (unseren Taufpaten).6
Otto war unbezweifelbar der Taufpate des späteren Kaisers, auch wenn die näheren Umstände – einschließlich der Frage, warum er und nicht sein älterer Bruder Gottfried – im Dunkeln liegen.
Verwandtschaft von Staufern und Cappenbergern
Adelheid von Turin, eine Urgroßmutter von Herzog Friedrich II. von Schwaben und Irmgard von Turin, eine Urgroßmutter der Brüder Gottfried II. und Otto von Cappenberg waren Schwestern. Sie waren Töchter von Markgraf Oderico Manfredi II. aus dem Haus der Arduinen, einem bedeutenden italienischen Adelsgeschlecht, das damals die Markgrafschaften Turin und Susa beherrschte.
Oderico Manfredi II. ⚭ Bertha d'Este
- Adelheid von Turin ⚭ Otto von Savoyen
- Bertha von Savoyen ⚭ Kaiser Heinrich IV.
- Agnes von Waiblingen ⚭ Herzog Friedrich I. von Schwaben
- Herzog Friedrich II. von Schwaben ⚭ Judith Welf
- Kaiser Friedrich I. Barbarossa
- Irmgard von Turin ⚭ Otto von Schweinfurt (= Herzog Otto III. von Schwaben)
- Beatrix von Schweinfurt ⚭ Heinrich von Hildrizhausen
- Beatrix von Hildrizhausen ⚭ Gottfried I. von Cappenberg
- Gottfried II. von Cappenberg
- Otto von Cappenberg
Barbarossas Vater und die Brüder von Cappenberg waren demnach Cousins dritten Grades.
Diese kognatische Blutsverwandtschaft in ausschließlich weiblicher Linie war den Beteiligten bekannt und wurde in den zwei Urkunden, die der Kaiser zugunsten des Klosters Cappenberg ausstellte, ausdrücklich von ihm erwähnt. In einer 1161 in Lodi ausgestellten Urkunde bezeichnete er Otto, der damals noch lebte, als "dilectissimus consanguineus noster" (unseren am meisten geliebten Blutsverwandten).7 In der bereits erwähnten im Jahre 1187 in Worms ausgestellten Urkunde bezeichnete er die inzwischen beide verstorbenen Brüder als "comites consanguinei nostri" (unsere blutsverwandten Grafen).8
Cappenberger Kopf
Johannesreliquiar ("Cappenberger Kopf"). Bronzeguss, feuervergoldet.
Vergrößerte Ansicht
Der sogenannte Cappenberger Kopf wurde erstmals in einer zwischen 1149 und 1156/58 entstandenen 9 Biografie über Graf Gottfried II. (Vita Godefridi comitis Capenbergensis) in einem wohl vor 1158 geschriebenen Anhang erwähnt: Wie bereits dargestellt, verkauften die Cappenberger um 1122 ihren Besitz in Schwaben an Herzog Friedrich II. von Schwaben, den Vater von Friedrich Barbarossa. Einen Teil des Kaufpreises bezahlte der Herzog in Form von Reliquien. Dazu heißt es in der Vita Godefridi:9 10
Has igitur memorabiles reliquias venerabilis Otto, praecipius Ioannis dilector, nostrae laetabundus invexit ecclesiae, atque in capite reposuit deaurato, quibus et multo caritatis affectu reditus ad luminaria continua delegavit.
Diese denkwürdigen Reliquien also brachte der ehrwürdige Otto, ein außerordentlicher Verehrer des Johannes, erfreut in unsere Kirche und verwahrte sie in einem vergoldeten Kopf; diesen [Reliquien] überwies er auch in tiefem Liebesempfinden Einkünfte für die Ewigen Lichter.
Das Reliquiar muss demnach vor 1158 von Otto in Auftrag gegeben worden sein. Es wurde in der Cappenberger Klosterkirche zu öffentlicher Verehrung aufgestellt und in seiner Nähe brannten Ewige Lichter, deren Unterhalt Otto durch eine eigens dafür eingerichtete Stiftung gesichert hatte.11
Das Reliquiar ist 314 mm hoch und wiegt 4.605 Gramm. Es ist aus Bronze gegossen und feuervergoldet. Es besteht aus einem hohl gegossenen Kopf, der auf einem aus mehreren Gussteilen zusammengesetzten Unterbau sitzt.
Laut Inschriften in Form von vier Hexametern, die sich jeweils zweisilbig reimen, ist das Reliquiar dem Evangelisten Johannes gewidmet.
Am Hals:
HIC Q[UO]D SERVET[UR]
DE CRINE IOH[ANN]IS HABETUR
TE P[RE]CE PULSANTES
EXAUDI S[AN]C[T]E IOH[ANN]ES
Was hier bewahrt wird ist vom Haar des Johannes
Erhöre, heiliger Johannes, die dich durch Gebet bedrängen
An den oberen Zinnen:
APOCALISTA DATU[M]
TIBI MU[NUS] SUS[CIPE] [GR]ATUM
ET PIUS OTTONI
SUCCURRE PRECAN[D]O DATORI
Nimm, Apokalyptiker, das dir gegebene Geschenk als willkommen an
und eile dem Spender Otto durch Fürsprache fromm zur Hilfe.
Die bandartige Vertiefung in den Locken trug ursprünglich einen Schmuck, der verlorengegangen ist und über dessen Material und Aussehen man nichts weiß. Die Augäpfel sind mit einer dünnen Silberplatte bedeckt. Die Pupille wurde ursprünglich mit Niello, einer schwarzen Farbmasse, aufgemalt, aber bei einer Restaurierung mit schwarzem Weichharz überdeckt.12
Der Heilige ist wie ein römischer Kaiser dargestellt. Diese Darstellungsform findet man seit dem 9. Jahrhundert auch bei anderen Kopfreliquiaren.13 Bei einem derartigen Kopfreliquiar des Hl. Eustachius ist der Kronreif noch erhalten. Möglicherweise sah dieser beim Cappenberger Kopf ähnlich aus.
Links: Kaiser Konstantin auf einem Solidus (4,35 Gramm), Trier, geprägt in den Jahren 310 bis 313. Umschrift: CONSTANTI-NVS P F AVG, Kopf mit Lorbeerkranz. – Rechts: Kopfreliquiar des Hl. Eustachius aus dem Baseler Münsterschatz. Spätes 12. Jh. (Holzkern) und frühes 13. Jh. (Silberverkleidung). Bergahorn, geschnitzt, Silber, getrieben, teils vergoldet, Filigran, Edelsteine und Goldsteine. Höhe 335 mm. Britisches Museum, London.
Der Unterbau des Johannesreliquiars besteht aus einer von vier drachenartigen Fabelwesen getragenen oktogonalen Basisplatte, die von einer Mauer mit Türmen und Zinnen umrahmt ist. Darauf steht auf einer in der Mitte befindlichen viereckigen Laterne die obere, ebenfalls zinnenbewehrte runde Sockelplatte mit zwei rechteckigen Aussparungen für zwei am Kopfteil angegossene Zapfen. Dieses obere Teil wird ringsherum von vier in der Bodenplatte verzapften Engeln abgestützt, von denen einer verlorengegangen ist.
Die Haare, die man für Überreste des Apostels und Evangelisten Johannes hielt, dürften in der Laterne, die nur nach Abnahme des Kopfes von oben zugänglich war, aufbewahrt worden sein. Weitere Reliquien fand man später auch im Hohlraum des Kopfes.
Bei den Reliquien handelte es sich vermeintlich um Blut, Haare und ein Stück vom Rock Christi, ein Teil vom Kreuz, Tränen, Haare und Kleiderpartikel von Maria sowie Blumen, die sie während der Verkündigung der Empfängnis in ihrer Hand gehalten hatte, Kopf- und Barthaare des Evangelisten Johannes (capilli, crines et barba sancti Ioannis evangelistae), Blut von Johannes dem Täufer sowie um Überreste vom Körper des Hl. Augustinus und der Hl. Katharina.14
In einem Inventar vom 9. Februar 1705 wurde bei der Auflistung der damals vorhandenen Reliquien eine heute nicht mehr vorhandene "glandula aurea" (goldene Eichel) genannt, in der die Haare vom Evangelisten Johannes aufbewahrt waren.15Reliquien des Cappenberger Johannesreliquiars.
Widerlegte These vom "Barbarossakopf"
In einer Schenkungsurkunde, dem wohl Ende 1170 / Anfang 1171 verfassten sogenannten "Testament" Ottos von Cappenberg,16 ist von einem
capud argenteum ad imperatoris formatum effigiem cum sua pelvi nichilominus argentea
die Rede, also von einem "silbernen Haupt, das nach dem Bild eines/des Kaisers geformt ist mit seiner ebenfalls silbernen Schüssel", die Otto dem Kloster geschenkt habe.
Der Anfang dieses lateinischen Textes steht auch auf der Stauferstele.
1886 stellte der Historiker Friedrich Philippi unter Berufung auf das in Ottos Testament erwähnte silberne Abbild eines/des Kaisers die Behauptung auf, der Cappenberger Kopf sei ursprünglich eine Porträtbüste von Kaiser Friedrich I. Barbarossa gewesen. Erst später sei er zu einem Johannesreliquiar umfunktioniert worden.
Diese These setzte sich allgemein durch, obwohl der Cappenberger Kopf nicht aus Silber besteht und laut seinen Inschriften dem Evangelisten Johannes gewidmet ist. Doch so gut wie kein Wissenschaftler zweifelte im 19. und 20. Jahrhundert an der Sensation einer dreidimensionalen Darstellung des wohl berühmtesten Kaisers des Mittelalters.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde der "Barbarossakopf" bekannt, als er 1977 anlässlich des Stauferjahrs in Baden-Württemberg und einer Stauferausstellung im Landesmuseum Stuttgart Motiv einer 40-Pfennig-Sonderbriefmarke wurde.
Im Archiv des Westfälischen Landesamts für Denkmalpflege in Münster befindet sich ein Gutachten aus dem Jahre 1978, demzufolge der Kopf keinerlei Spuren einer früheren Versilberung aufweist.17 Die Inschriften am Hals waren bereits als Vorritzungen auf dem Wachsmodell der Gussform angelegt und gehörten bereits zum Ursprungsentwurf.17
Demnach war die Skulptur von Anfang an vergoldet und ein Kopfreliquiar mit dem Haupt des Evangelisten Johannes, des Patrons der Cappenberger Stiftskirche.
Im August 2021 wurde das Reliquiar nochmals wissenschaftlich untersucht. Mit Fotos eines digitalen Mikroskops wurde der Befund von 1978 bestätigt: Die Inschrift am Kopf war, wie sich an mehreren Stellen aus Resten der Gusshaut nachweisen lässt, mit Sicherheit bereits im Wachsmodell angelegt. Darüber hinaus wurde auch in der Inschrift am Untersatz Gusshaut entdeckt. Beide Inschriften zählen daher zur ursprünglichen Konzeption. Weiterhin wurde mit einem portablen Röntgenfluoreszenzanalysegerät bestätigt, dass der Cappenberger Kopf zu keinem Zeitpunkt eine Versilberung aufgewiesen hat.18
Der in Ottos sogenannten Testament zusammen mit der silbernen Schale genannte silberne, nach dem Bild eines Kaisers geformte Kopf war möglicherweise ein auf der Schale stehendes Gießgerät in Form einer Büste. Dieses Aquamanile ist offensichtlich ebenso wie zwei andere im Testament genannte Artefakte – ein goldenes Kreuz, das Otto das des heiligen Johannes zu nennen pflegte, mit Edelsteinen und goldenen Kettchen, sowie ein Kelch, den ihm der Bischof von Troyes geschickt hat – verlorengegangen.16
Da Otto in seinem Ende 1170 oder Anfang 1171 verfassten Testament dem Kloster angesichts seines Todes diese vier Stücke vermachte, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in seinem Privatbesitz befanden, kommt das vergoldete Johannesreliquiar dort nicht vor.19 Denn das Reliquiar hatte er schon viele Jahre zuvor, spätestens 1158, der Kirche gestiftet.
Auch wenn der Cappenberger Kopf kein "Barbarossakopf" ist, ist er ein bedeutendes Kunstwerk aus dem 12. Jahrhundert, das bei der Verleihung an Ausstellungen in einem Konvoi mit drei gepanzerten Fahrzeugen transportiert wird und mit einem siebenstelligen Betrag versichert ist.20
Siehe auch: Cappenberger Kopf. Die vergoldete Bronzeskulptur aus dem 12. Jahrhundert ist kein "Barbarossakopf".
Taufschale Barbarossas
Bei der silbernen Schüssel, die in Ottos Testament genannt wird, liegen die Fakten klar auf dem Tisch. Es ist eine Taufschale, die nach der Aufhebung Cappenbergs im Jahre 1803 verkauft und auf Umwegen über Bad Godesberg und Weimar21 schließlich nach Berlin kam, wo sie sich heute im Kunstgewerbemuseum befindet.
Taufschale Barbarossas. Silber, getrieben, graviert, teilvergoldet, Durchmesser 244 mm.
Die Gravur im Schalenboden zeigt eine Taufe in Form des Untertauchens (Immersionstaufe). Der Täufling ist als FRIDERIC[VS] I[M]P[ERA]T[OR] benannt. Der taufende Bischof auf der rechten Seite, dem ein Diakon assistiert, ist im Moment des Handauflegens dargestellt. Der als OTTO benannte Taufpate auf der linken Seite, hinter dem zwei weltliche Zeugen stehen, ist beim Herausheben des Täuflings aus dem Taufbecken dargestellt. Das Bild ist mit zwei Inschriften umgeben. Der äußere Text ist ein Distichon mit einsilbigem Reim und lautet:
CESAR ET AUGUSTUS
HEC OTTONI FRIDERICUS
MUNERA PATRINO
CONTULIT ILLE D[E]O
Friedrich, Kaiser und Augustus, übergab diese Geschenke seinem Paten Otto, jener [übergab sie] Gott.
Die lateinische Zeile wird auch auf der Stauferstele zitiert.
Da der Täufling als Kaiser bezeichnet wird, können Bild und Inschriften erst nach der Kaiserkrönung Barbarossas im Jahre 1155 entstanden sein.
Die im Plural genannten "munera" deuten darauf hin, dass es neben der Taufschale weitere Geschenke von Barbarossa für seinen Taufpaten gegeben hat. Bei "munera" kann es sich allerdings auch um einen sogenannten "poetischen Plural" handeln, der in dichterisch abgefassten mittelalterlichen Texten auch für ein einzelnes Geschenk (Singular) benutzt werden konnte.22
Der innere Text der Schale ist ein Distichon mit zweisilbigem Reim und bezieht sich auf den Sinn der Taufe:QUEM LAVAT UNDA FORIS
HOMINIS MEMOR INTERIORIS
UT SIS Q[U]OD N[ON] ES
ABLUE T[ER]GE Q[U]OD ES
Du, den das Wasser von außen reinigt, sei des inneren Menschen eingedenk. Damit du werdest, was du nicht bist, wasche ab und reinige, was du bist.
Dies deutet darauf hin, dass sie als sakrale Handwaschschale gedacht gewesen sein könnte. Für das Übergießen des Täuflings mit Taufwasser konnte sie nicht bestimmt sein, da die Abbildung auf der Schale keine Infusionstaufe durch Übergießen, sondern eine Immersionstaufe durch Eintauchen in ein Becken darstellt.
Es handelt sich also um die "Taufschale Barbarossas" in dem Sinne, dass auf ihr die Taufe des späteren Kaisers dargestellt ist, aber nicht, dass er bei seiner Taufe mit Wasser aus dieser Schale übergossen worden ist.
Schrank und Grabstein im südlichen Querhaus
In der Stiftskirche des ehemaligen Klosters Cappenberg befindet sich im südlichen Querhaus ein nur zu besonderen Anlässen geöffneter Schrank, in dem ein Replikat des Testaments von Otto von Cappenberg, das vergoldete Johannesreliquiar sowie ein Replikat der silbernen Taufschale und ausgestellt sind. Unterhalb der mit Panzerglas geschützten Glasvitrine befinden sich Schubladen mit Reliquien.
Im Vordergrund des Schrankes ist eine Grabplatte mit einer überlebensgroßen liegenden Rittergestalt, die als Gottfried II. von Cappenberg gedeutet wird.
Gottfried hält auf der oben abgebildeten Grabplatte einen Kreuzsockel mit vier gleichlangen Armen in der rechten Hand. Wenn man das Johannesreliquiar auf dieses Kreuz stellt, ragen dessen Drachenfüße nur um wenige Millimeter darüber hinaus. Der Gedanke ist naheliegend, dass dieser Kreuzsockel den Zweck hatte, das Reliquiar – vielleicht zu besonderen Anlässen – daraufzustellen. Dass er als Sockel für ein kleines Modell der von ihm gestifteten Kirche gedient hat, ist weniger wahrscheinlich, weil die Basilika keinen quadratischen Grundriss hat.
Besonderheiten der Selmer Stauferstele
Im Gegensatz zu allen anderen Stauferstelen, die aus drei oktogonalen Trommeln auf einem quadratischen Sockel bestehen, ist die Selmer Stele aus vier Trommeln zusammengesetzt und hat keinen quadratischen Sockel.
Alle anderen Stauferstelen haben unter der goldenen Krone vier Reliefs, die von zwei Ausnahmen abgesehen23 ein zum jeweiligen Text passendes Wappen darstellen. In Selm befinden sich auf zwei Seiten an Stelle von Reliefs Zeichnungen, die wie die Inschriften eingraviert sind. Es handelt sich um die Taufschale und das Johannesreliquiar, die auf Grund ihrer feinen Details in dem porösen Jurakalk nicht als Relief darstellbar gewesen wären.
Die vier Seiten mit Inschriften sind anders als bei allen anderen Stelen nur auf der zweitobersten Trommel beschriftet. Auf der großen Trommel darunter ist auf einer fünften Seite ein Markenlogo eingraviert, das auf den Rotary Club Selm hinweist, dem der Stifter angehört. Es ist die einzige Stauferstele, die in dieser Art als Werbefläche für ihren Sponsor genutzt wird.
Einzigartig in Selm ist auch die Infothek, eine elektronische Informationssäule, die zusätzliche Informationen zur Stele bietet. Sie ist in schwarzem Granit eingefasst und mit einem Touchmonitor und Panzerglas ausgestattet. Wer sich ihr nähert, aktiviert einen Bewegungsmelder und bringt das installierte Ambi-Light zum Leuchten, das für eine futuristische Atmosphäre sorgt.
Auf der Selmer Stele steht, dass sie im Jahre 2022 vom Bildhauer Markus Wolf gemacht wurde (lat.: fecit). Insofern ist sie die 40. Stauferstele, denn die Stauferstele für Foggia, die eigentlich im Mai 2021 als 39. Stauferstele aufgestellt werden sollte, liegt transportbereit verpackt in seiner Werkstatt. Wann diese Stele in Foggia tatsächlich aufgestellt wird, steht aber inzwischen in den Sternen. Aus diesem Grund ist nun die Selmer Stele die 39. Stauferstele geworden.
In Selm steht die nördlichste Stauferstele in Deutschland. Nur die Stauferstele in Nijmegen befindet sich noch weiter im Norden.
Die Stauferstele in Selm wurde am Mittwoch, 23. Februar 2022, von Ina Scharrenbach und Norbert Lammert enthüllt.
Stauferstele Selm. Quelle: https://der-pate-des-kaisers.de/2022/02/23/einweihung-stauferstele/
Video zur Stauferstele Selm.
Quelle: https://der-pate-des-kaisers.de/2022/02/23/einweihung-stauferstele/
1. | Caroline Horch: "Nach dem Bild des Kaisers". Funktionen und Bedeutungen des Cappenberger Barbarossakopfes. Köln/Weimar/Wien 2013, S. 68-69. |
2. | Horch S. 89-90. |
3. | Ferdinand Oppl: patrinus noster. Der Taufpate Kaiser Friedrich Barbarossas. Zu Leben und Wirken Ottos von Cappenberg. In: Knut Görich (Hrsg.): Cappenberg 1122-2022. Der Kopf, das Kloster und seine Stifter. Regensburg 2022, S. 129-175, hier: S. 174. |
4. | Philipp Jaffé: Vita Godefridi comitis Capenbergensis. In: MGH SS 12, S. 513-530, hier:
S. 529, Zeile 21-22
Gerlinde Niemeyer / Ingrid Ehlers-Kisseler / Veronika Lukas: Die Viten Gottfrieds von Cappenberg. MGH SS rer. Germ. 74, S. 159, Zeile 8-9. |
5. | MGH Const. 1, Nr. 138, S. 193, Zeile 33. |
6. | MGH DD F1.4, Nr. 963, S. 239, Zeile 17-18. |
7. | MGH DD F1.2, Nr. 333, S. 162, Zeile 18-19. |
8. | MGH DD F1.4, Nr. 963, S. 239, Zeile 17. |
9. | MGH SS rer. Germ. 74, S. 8 f. |
10. |
Jaffé S. 529, Zeile 30-31.
Er zitiert in seiner Fußnote Nr. 50 die vier Inschriften des vergoldeten Johannesreliquiars aus Anmerkungen in
der Edition der Vita Godefridi von Johannes Gamans, Acta Sanctorum Jan. I (1643), der dort aber nur die ersten drei nennt.
Niemeyer/Ehlers-Kisseler/Lukas S. 160. In der Fußnote 277 wird "capud argenteum ad imperatoris formatum effigiem" allen Ernstes mit "goldenes Kopfbildnis Kaiser Barbarossas" übersetzt. Johannes Bollandus: Acta Sanctorum, Januarii Tomus Secundus, Paris 1863, S. 116-145, hier: S. 126, Nr. 57. |
11. | Clemens M. M. Bayer: Cappenberger Köpfe, eine Handwaschschale und anderes in den einschlägigen textlichen Überlieferungen des 12. Jahrhunderts. In: Knut Görich (Hrsg.): Cappenberg 1122-2022. Der Kopf, das Kloster und seine Stifter. Regensburg 2022, S. 271-311, hier: S. 304 f. |
12. | Michael Brandt: Das Cappenberger Kopfbild: Herrscher oder Heiliger? In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft: Opus. Festschrift für Rainer Kahsnitz. Band I. Berlin 2019, S. 89-106, hier: S. 96. |
13. | Brandt S. 105. |
14. | Jaffé S. 530, Zeile 7-13. Er zitiert dies aus den Anmerkungen in der Edition der Vita Godefridi von Johannes Gamans, Acta Sanctorum Jan. I (1643). |
15. | Annales Cappenbergenses, Horch S. 244-245. |
16. | Stadt Lünen (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Lünen bis 1341. Lünen 1991, Nr. 10, S. 32-33. Online (Zeile 23-26). |
17. | Brandt S. 93 f. |
18. | Lothar Lambacher/Wibke Bornkessel/Boaz Paz: Neue Befunde am Cappenberger Kopf. In: Knut Görich (Hrsg.): Cappenberg 1122-2022. Der Kopf, das Kloster und seine Stifter. Regensburg 2022, S. 313-327, hier: S. 324 u. 325. |
19. | Bayer S. 305. |
20. | Virteum Selm, Newsletter 2-2022, S. 3. |
21. | Herbert Grundmann: Der Cappenberger Barbarossakopf und die Anfänge des Stiftes Cappenberg. Köln/Graz, S. 2. |
22. | Brandt S. 92. |
23. | Pfeilermadonna statt Wappen auf einer Seite der Stauferstele in Schwäbisch Gmünd, zwei Wappen auf einer Seite der Stauferstele in Klosterneuburg. |
Stifter der Stauferstele
Prof. Dr. Ralf Schaltenbrand
Einweihung: 23. Februar 2022