Ettlingen 2017
Ettlingen wurde vor 1220 von den Staufern zur Stadt (civitas Ettenigen) erhoben. – Die Stauferstele steht auf dem Kurt-Müller-Graf-Platz (früher Kutschenplatz) beim Osteingang des Ettlinger Barockschlosses, in dem noch der untere Teil eines stauferzeitlichen Bergfrieds erhalten ist.
Inschriften der 34. Stauferstele
Hintergrundinformationen zur Stauferstele
Der weiße Zinnenturm im Wappen von Ettlingen verweist auf das Kloster Weißenburg im Elsass. Der badische rote Schrägbalken zeugt von der Zugehörigkeit zur Markgrafschaft Baden.
Marktrecht spätestens 973
Einem unter Abt Edelin Ende des 13. Jahrhunderts angefertigten Güterverzeichnis des Klosters Weißenburg ist zu entnehmen, dass Kaiser Otto I. dem Kloster für Etiningen das Marktrecht verliehen hat.2 Dieser sogenannte Codex Edilini nennt leider kein Datum für diese Marktrechtsverleihung, sodass sie irgendwann in die Regierungszeit Ottos des Großen zwischen 936 und 973 fällt.
Stadterhebung spätestens 1220
Markgraf Hermann V. von Baden, von dem man zwar nicht das Geburtsjahr, aber den genauen Todestag am 16. Januar 1243 kennt, unterstützte den Stauferkönig Philipp von Schwaben im Kampf mit dessen Gegenkönig Otto IV.
Nach der Ermordung Philipps im Jahre 1208 ging er auf die Seite Ottos über. Ab 1214 half er wiederum Friedrich II. im Ringen mit dem inzwischen zum Kaiser gekrönten Otto.
Aus einer von Kaiser Friedrich II. im November 1234 im apulischen Apricena für Markgraf Hermann V. von Baden ausgestellten Urkunde lässt sich ableiten, dass Ettlingen spätestens 1220 eine civitas war und demgemäß irgendwann vor diesem Zeitpunkt das Stadtrecht erhalten haben muss. Dort steht, dass die Stadt Ettlingen dem Markgrafen zum Lehen gegeben wurde (in feodo sibi dedisse civitate Ettenigen).
Aus einer Urkunde, die Kaiser Friedrich II. im Jahre 1234 in Apulien ausgestellt hat, geht hervor, dass er olim (einst) bei seinem Aufenthalt in Deutschland dem Markgraf Hermann V. von Baden die Stadt Ettlingen zum Lehen gegeben hatte.3
Gleichzeitig überließ er damals dem Markgrafen die drei Städte Eppingen, Sinsheim und Lauffen als Pfandgut für die Summe von 2300 Mark Silber.
Da laut dieser Urkunde damals auch ein Tausch von Durlach gegen Besitz in Braunschweig erfolgte, könnte es sein, dass dieses olim sich auf einen Hoftag in Goslar im Jahre 1219 bezieht. Damals unterwarf sich Heinrich von Braunschweig, Sohn von Heinrich dem Löwen und Schwiegervater des Markgrafen, dem König.
Aus dieser Urkunde geht hervor, dass die fünf Siedlungen, also auch Ettlingen, zum Zeitpunkt der Übergabe an den Markgrafen bereits Städte (civitates) waren.
Wann sie von den Staufern zur Stadt erhoben worden waren, ist nur von Sinsheim bekannt, für das es eine aus dem 16. Jahrhundert stammende Abschrift einer Urkunde gibt, mit der Heinrich VI. in Hagenau am 29. Februar 1192 Sinsheim das Stadtrecht verliehen hat.4 Bei den anderen vier Städten muss es irgendein Zeitpunkt vor 1220 gewesen sein, denn in diesem Jahr beendete Friedrich II. seinen Deutschlandaufenthalt und ging nach Italien, wo er zum Kaiser gekrönt wurde und sich bis 1235 aufhielt.
Konflikt zwischen Hermann V. und König Heinrich (VII.)
Anlass dieser in Italien ausgestellten Urkunde war Friedrichs Sohn König Heinrich (VII.), der inzwischen volljährig war und die Regierungsgeschäfte in Deutschland an sich gezogen hatte. Heinrich war bestrebt, seine Hausmacht und die des Reiches durch Besitzerweiterungen, unter anderem auch durch Städte, zu stärken. In Heilbronn gelang ihm dies, wovon auf der Stauferstele Heilbronn berichtet wird.
Heinrich (VII.) wandte sich unter anderem auch gegen Markgraf Hermann V. von Baden und verlangte von ihm, die drei für 2300 Mark Silber verpfändeten Städte Eppingen, Sinsheim und Lauffen für nur 1300 Mark zurückzugeben. Im Falle Ettlingens hatte er die Möglichkeit, das Lehen zurücknehmen. Er verlangte die Herausgabe der Urkunde, mit der sein Vater die fünf Städte an den Markgrafen übertragen hatte, und ließ sich Hermanns ältesten Sohn als Geisel ausliefern.
Auf diese Weise trieb der König den Badener in die Reihen seiner zahlreichen Gegner. Markgraf Hermann reiste heimlich über die Alpen zu Friedrich, um ihn über dessen Sohn zu unterrichten und ihn zu bitten, nach Deutschland zu kommen und wieder Ordnung herzustellen. Er traf ihn in Apulien in Apricena, einem Ort knapp dreißig Kilometer nördlich von Foggia.
Friedrich II. kam tatsächlich im folgenden Jahr nach Deutschland, setzte seinen Sohn ab und ließ ihn bis zu dessen Tod in verschiedenen Burgen gefangen halten.
Treppenwitz der Geschichte
Der Erfolg von Markgraf Hermann V. bedeutetete für die Ettlinger, dass sie die Bürger einer badischen Stadt und damit während der nächsten fünfeinhalb Jahrhunderte Leibeigene des Markgrafen waren.5
Hätte König Heinrich (VII.) sich durchgesetzt, wäre dies wie im Falle von Heilbronn eine Chance gewesen, eine Reichsstadt mit mehr Autonomie und Freiheit zu werden.
Hermann blieb auf der Seite der Gegner von König Heinrich (VII.), weshalb Backnang, wo sich damals die Grablege der Badener befand, im Jahre 1235 durch Heinrich von Neuffen, einen Anhänger des Königs, zerstört wurde.
Rudolf I. Staufergegner bis zu deren Untergang
Markgraf Hermann V. hatte einen Sohn namens Markgraf Rudolf I. von Baden, der um 1230 geboren wurde und am 19. November 1288 verstarb.
Rudolf stand ab 1246 bis zum Untergang der Staufer im Jahre 1268 auf der Seite der Staufergegner. Nach der Niederlage des Stauferkönigs Konrad IV., dem Halbbruder und Nachfolger von Heinrich (VII.), in der Schlacht bei Frankfurt im Jahre 1246 trat der Markgraf auf die Seite des Gegenkönigs Heinrich Raspe über.6 Später war Rudolf ein Anhänger von Richard von Cornwall, der ihm auch 1258 für die Stadt Steinbach das Marktrecht verlieh.
Möglicherweise hat Rudolf um 1250 in Ettlingen die Burganlage erbaut, die später zum heutigen Schloss ausgebaut wurde. Ein staufischer Vorgängerbau dieser Burg ist plausibel, hat sich aber bisher nicht nachweisen lassen.
Von der Burg zum Schloss
Nach der Teilung der Markgrafschaft in die Linien Baden-Baden und Baden-Durlach im Jahre 1535 gehörte Ettlingen zum katholischen Baden-Baden. Im 16. Jahrhundert wurde die mittelalterliche Burg in ein Renaissanceschloss umgebaut, das 1689 von den Franzosen zerstört wurde.
Im Innenhof des Barockschlosses stehen noch die unteren Stockwerke des ursprünglich wohl dreißig Meter hohen Bergfrieds mit rötlichen Mauerwerk aus der Stauferzeit. Davor steht der Delphinbrunnen, 1617 im Renaissancestil ausgeführt. Rechts vom Bergfried die barocke Scheinarchitektur des Südflügels nach 1727. Links vom Bergfried geht es durch das Osttor zum Kurt-Müller-Graf-Platz, auf dem wenige Meter entfernt die Stauferstele steht.
Markgräfin Augusta Sibylla ließ ab 1727 das zerstörte Schloss als ihren Witwensitz ausbauen. Die drei Flügel des Renaissancebaus wurden wiederhergestellt, barockisiert und mit einem neuen Ostflügel und der Schlosskapelle zu einer geschlossenen vierflügeligen Schlossanlage ergänzt. Der alte Bergfried mit seinem rötlichen Mauerwerk blieb weiterhin in das Schloss integriert, aber um zwei Geschosse verkürzt.
Die Stauferstele steht in der Nähe des Osteingangs des Schlosses auf dem Kurt-Müller-Graf-Platz.
Erläuterung der Inschriften
Ettlingen. Wie bereits ausgeführt, war Ettlingen schon in der Römerzeit eine wichtige Straßenkreuzung und wurde in der Zeit von Karl dem Großen im Jahre 787/788 erstmals urkundlich erwähnt, als die Siedlung dem Kloster Weißenburg geschenkt wurde.
Datierungen auf 965 und 1192 sind frei erfunden.
Das Stadtrecht erhielt Ettlingen spätestens 1220. Die Inschrift VERMUTLICH 1192 auf der Stele suggeriert, dass es stichhaltige Argumente dafür gebe. Tatsächlich basiert das Jahr 1192 auf einer Mischung aus Spekulationen und im Widerspruch zu den vorliegenden Quellen stehenden Behauptungen des bereits erwähnten Rüdiger Stenzel. Weitere Details.
Reichsadler. Nachdem Markgraf Hermann V. sowohl König Philipp von Schwaben, als auch den späteren Kaiser Friedrich im Kampf gegen Kaiser Otto IV. unterstützt hatte, erhielt er spätestens 1220, wie oben ausführlich beschrieben, fünf Städte, zu denen auch Ettlingen gehörte. Als Friedrichs Sohn König Heinrich (VII.) an diesen Regelungen rütteln wollte, bestätigte Friedrich 1234 dem Markgraf Hermann V. nochmals die ursprünglichen Vereinbarungen. Dieser Urkunde von 1234 verdankt Ettlingen seine erste urkundliche Erwähnung als Stadt. – Im Sockel stehen die Stifter.
Baden. Hermanns Sohn Markgraf Rudolf I. baute Ettlingen und die Markgrafschaft aus. Die für eine Stauferstele interessante Tatsache, dass Markgraf Rudolf I. auf der Seite der Staufergegner stand, zum Untergang der Staufer beitrug und davon profitierte, wird nicht erwähnt.
Irreführende Verdrehung der Tatsachen.
Hermanns Ehefrau Irmengard war die Tochter des Pfalzgrafen Heinrich I. bei Rhein, des ältesten Sohnes von Heinrich dem Löwen. Irmengards Mutter Agnes von der Pfalz war Tochter und Erbin des staufischen Rheinpfalzgrafen Konrad, der ein Halbbruder von Kaiser Friedrich I. Barbarossa war. Irmengard stiftete das Kloster Lichtenthal bei Baden-Baden als Grablege der Markgrafen und ließ ihren ursprünglich in Backnang bestatteten Gatten später nach Lichtenthal umbetten.
Auf dem Sockel steht, dass dies die 34. Stauferstele ist, dass sie 2017 in Ettlingen errichtet wurde und dass der Bildhauer Markus Wolf sie gemacht (lat.: fecit) hat.
1. | Johann Kaspar Zeuss (Hrsg.): Traditiones possessionesque Wizenburgenses: codices duo cum supplementis, Speyer 1842, S.
44, Nr. 42.
In dieser Carta Amalberti, einer späteren Abschrift der ursprünglichen Urkunde, ist Amalberts Schenkung an das Kloster Weißenburg
auf das zwanzigste Regierungsjahr von Karl dem Großen datiert und fällt somit in das Jahr zwischen Oktober 787 und September 788.
Auf der Abbildung dieser Abschrift steht auf der rechten Seite am Anfang der sechsten Zeile in ediningom. Zur Identifizierung von ediningom mit Ettlingen siehe Rudolf M. Kloos: Die Weißenburger Überlieferung zum Ort Ettlingen. Auszüge aus einem Gutachten. In: Arnold Tschira und Rüdiger Stenzel: Das mittelalterliche Ettlingen. 7.-14. Jahrhundert, Karlsruhe 1968, S. 115-118. |
2. | Johann Kaspar Zeuss (Hrsg.): Traditiones possessionesque Wizenburgenses: codices duo cum supplementis, Speyer 1842, S. 301, Nr. 298. Auf diese Quelle hat uns der Historiker Klaus Graf hingewiesen. – Siehe auch: Ettlinger Markt- und Stadtrecht. Halten die offiziellen Angaben der Stadt Ettlingen einem Faktencheck stand? |
3. | Das Original dieser mit einer verloren gegangenen Goldbulle besiegelten Urkunde befindet sich im Generallandesarchiv Karlsruhe unter der Signatur
D Nr. 31. Vollständige Ansicht 1.678 × 2.044 Pixel, 2.262 KB. Textversion: WUB, Band III, Nr. 855. |
4. | RI IV,3,1 n. 207. – Siehe auch: Ettlinger Markt- und Stadtrecht. Halten die offiziellen Angaben der Stadt Ettlingen einem Faktencheck stand? |
5. | Am 23. Juli 1783 schaffte der 1806 von Napoleon zum Großherzog beförderte Karl Friedrich die Leibeigenschaft in der 1771 nach Aussterben der Baden-Badener Linie wiedervereinigten Markgrafschaft Baden ab. |
6. | Gottfried Peter Rauschnick: Handbuch der Special-Geschichte sämmtlicher deutscher Staaten alter und neuer Zeit:
Baiern, Schwaben, Würtemberg, Baden, Pfalz, Schweiz, Oesterreich, Band 1. Mainz 1828, S. 163. Wolfgang Menzel: Geschichte der Deutschen bis auf die neuesten Tage. Cotta 1837, S. 336. Heinrich August Pierer: Supplemente zum Universal-Lexikon oder Encyclopädischem Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe: Aa - Bronchophonie, Band 1. Altenburg 1841, S. 411. |
7. | Stadtwiki Karlsruhe: Heimatforscher. Abgerufen am 31. März 2017. |
Einweihung
Einweihung am 30. April 2017 im Assamsaal im Ettlinger Schloss und auf dem Kurt-Müller-Graf-Platz. – Unten: Oberbürgermeister Johannes Arnold mit Stifterinnen und Stiftern bei der Einweihung am 30. April 2017. Alle Fotos der Einweihung: Sibylle Kreisel.
Stifter der Stauferstele
Bürger von Ettlingen
In memoriam Wolfgang Lorch (1940-2014)
Einweihung: 30. April 2017
Ettlinger Markt- und Stadtrecht: Faktencheck