DENKENDORF 2015

Die Stauferstele steht beim Kloster Denkendorf. Der frühromanische Turm aus dem 11. Jahrhundert stammt von der Vorgängerkirche der spätromanischen Basilika und ist der älteste Teil der Anlage. – Die Adresse des Klosters ist Klosterhof 8.

Inschriften der 29. Stauferstele

Wappen von Denkendorf

GRAF BERTHOLD
VON HOHENBERG
UND LINDENFELS
GRÜNDET UM 1125
NACH DER HEIMKEHR
VON EINER WALLFAHRT
INS HEILIGE LAND
DAS CHORHERRENSTIFT
DENKENDORF
—————————————
UND ÜBERGIBT ES
DER KIRCHE DES
HEILIGEN GRABES
IN JERUSALEM
'COMES BERTOLDUS
VIR NOBILIS ET
ILLUSTRISSIMUS'
———————————————————
STIFTER
HELGA DAUSINGER-ILLG
DR. FRIEDRICH DAUSINGER
MARKUS WOLF FECIT MMXV



Wappen des Vatikan

PAPST
HONORIUS II.
NIMMT 1125/30 DAS
CHORHERRENSTIFT
DES HEILIGEN GRABES
VON DENKENDORF
IN SEINEN SCHUTZ
—————————————
DENKENDORF
WIRD DANK DER
VON SEINEM GRÜNDER
AUS JERUSALEM
MITGEBRACHTEN
RELIQUIEN ZU
EINEM BEDEUTENDEN
WALLFAHRTSORT



Wappen des Reichs

KONRAD III.
ERSTER KÖNIG
AUS DEM HAUSE
HOHENSTAUFEN
NIMMT 1139 DAS
CHORHERRENSTIFT
DES HEILIGEN GRABES
VON DENKENDORF
IN SEINEN SCHUTZ
—————————————
DIESEN SCHUTZ
BESTÄTIGEN
KAISER
FRIEDRICH I.
BARBAROSSA
1181
KÖNIG
HEINRICH (VII.)
1226
KAISER
FRIEDRICH II.
1226 · 1228
———————————————————
IN MEMORIAM
LUDWIG ILLG
1917 - 1985



Wappen des Herzogtums Schwaben

KÖNIG HEINRICH (VII.)
SCHENKT 1231 DEM
CHORHERRENSTIFT
DENKENDORF
EINE SALZPFANNE IN
SCHWÄBISCH HALL
EIN GUT IN
BERKHEIM UND
EIN FISCHWASSER
IM NECKAR
BEI ESSLINGEN
—————————————
DIE KLOSTERKIRCHE
IN DENKENDORF
WIRD ERBAUT
IN DER ZEIT
VON KAISER
FRIEDRICH II.
1194 - 1250
'PRINCIPUM
MUNDI MAXIMUS
FRETHERICUS
STUPOR MUNDI'

Hintergrundinformationen zur Stauferstele

Die Stauferstele steht auf dem Platz vor der spätromanischen Klosterkirche aus staufischer Zeit. Ölgemälde des "Orangemalers" Reinhard_Bergmann (2019) mit dem Hund des Malers, der auf keinem seiner Bilder fehlen darf. Vergrößerte Ansicht.

Um 1125 begab sich der Edelfreie Bertold von Denkendorf auf eine Pilgerreise ins Heilige Land. In Jerusalem stiftete er seine im 11. Jahrhundert erbaute Eigenkirche dem Chorherrenorden vom Heiligen Grab, der dem Patriarchen von Jerusalem unterstand. Der Patriarch sandte einen Chorherren nach Denkendorf, der dort eine Ordensniederlassung gründete.

Zunächst bauten die Chorherren an der Seite der Kirche ein romanisches Kloster, von dem jedoch auf Grund späterer Um- und Neubauten nichts mehr erhalten ist.

Papst Honorius II. sicherte in einer Urkunde, die zwischen 1125 und 1130 ausgestellt worden sein muss, dem Chorherrenstift päpstlichen Schutz, freie Propstwahl und freie Vogtwahl zu.1 Tatsächlich hielt jedoch der Patriarch bzw. der Ordensgeneral über Jahrhunderte an seinem Recht fest, den Propst zu bestimmen.

Der erste Stauferkönig Konrad III. gewährte 1139 dem Stift den Schutz des Reiches und das Recht der Vogtwahl.2 Diese Privilegien wurden auch von seinen Nachfolgern bestätigt, so beispielsweise durch die Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa (1181) und Friedrich II. (1226 und 1228) sowie durch König Rudolf I. (1291) und dessen Sohn Albrecht (1299).

1142 schenkte Bertold, der zweimal kinderlos verheiratet gewesen sein soll, seinen gesamten Besitz dem Kloster.3

Zwischen 1200 und 1250 wurde die Kirche abgerissen und der bis heute erhaltene spätromanische Bau errichtet. Nur der frühromanische Turm der Vorgängerkirche blieb stehen und ist bis zum Fries über den Biforien der älteste Teil der Anlage.

In der neuen Kirche wurde eine Krypta erbaut, die mit einem leeren Grab an ihre Mutterkirche, die Grabeskirche in Jerusalem erinnern soll. Schon seit der Gründung verfügten die Chorherren über bedeutende Reliquien aus dem Heiligen Land: Ein Splitter vom Heiligen Grab und ein Span vom Kreuzesholz wurden um 1190 in einem Doppelkreuzreliquiar gefasst und sind heute im Landesmuseum Württemberg zu sehen. Die Wallfahrt nach Denkendorf galt als gleichwertig mit einer Fahrt ins Heilige Land, besonders seit Jerusalem ab 1244 nicht mehr in christlicher Hand war.

Die Klosterkirche von Denkendorf ist eine flachgedeckte Pfeilerbasilika, deren rechteckiger Altarchor sieben Stufen höher liegt, um darunter Platz für die Krypta zu gewinnen. – Die Säulen der Nischen im Chor sind mit kunstvollen Kapitellen geschmückt.

Die Klosterkirche wurde im Osten über den Hang hinausgebaut, um die unter dem Altarchor liegende Krypta mit Tageslicht versorgen zu können. Die Ostmauer wurde vom Tal aus in Mittelschiffbreite nach oben gezogen. Oberhalb der Blindmauer mit den dunklen Steinen sieht man das untere Stockwerk mit dem romanischen Fenster, hinter dem sich die Krypta befindet. Im Stockwerk darüber mit den zwei Fenstern und der Rosette befindet sich der rechteckige Altarchor. – Die Krypta hat ein spitzbogiges Tonnengewölbe. Der offene Grabschacht im Boden erinnert an die Jerusalemer Grabeskirche.

Phantasievolle Ornamente schmücken die Kapitelle der Krypta, hier zwei langschwänzige Drachen mit dem Kopf an der jeweiligen Außenseite.

Das symbolische Heilige Grab in der Krypta der zwischen 1200 und 1250 erbauten spätromanischen Kirche und das um 1190 angefertigte Kreuzreliquiar waren die Alleinstellungsmerkmale von Denkendorf. Das 23 cm hohe und 11 cm breite silberne Reliquiar ist mit Edelsteinen verziert und enthält einen Splitter des Grabes Christi und einen Span des Kreuzes. Es hat die Form des Doppelkreuzes des Patriarchen von Jerusalem und wird auch als Staurothek bezeichnet. Eine Staurothek (von altgriech. σταuρóς Kreuz und θήκη Behälter) ist ein Reliquiar, in dem Teile des Kreuzes Christi aufbewahrt werden. – Fotos des Reliquiars: Landesmuseum Württemberg.

1377 wurde nach einer kriegerischen Zerstörung das annähernd rechtwinklige Dach der romanischen Kirche als gotisches Steildach erneuert. Im 15. Jahrhundert wurden Kapitelsaal und Kreuzgang im spätgotischen Stil neu gestaltet. Das südliche Seitenschiff der Kirche wurde in den Kreuzgang integriert und gotisiert. Auch das gotische Portal und der Baldachin der Vorhalle stammen aus dieser Zeit. Nach der Reformation wurden auch im nördlichen Seitenschiff große gotische Maßwerkfenster eingesetzt, um die Kirche heller zu machen.

Das oberste Stockwerk des Turms und die Turmhaube sind Erweiterungen des 17. Jahrhunderts. Mitte der 1970er Jahre wurde das Äußere der Kirche farblich gestaltet, eines der wenigen Beispiele nachempfundener romanischer polychromer Architekturbemalung.

Nach der Reformation im Jahre 1535 wurde die Anlage u.a. als evangelische Klosterschule, Senffabrik, Volkshochschule, Unterkunft für Heimatvertriebene und kirchliche Fortbildungsstätte genutzt. Die seit 2010 leer stehenden Klostergebäude sollen künftig als Wohn- und Pflegestift genutzt werden.

Auch wenn das Kloster aus der Stauferzeit stammt und auch von den Staufern profitiert haben mag, gehört Denkendorf aber gewiss nicht zu Europas herausragendsten Stauferstätten.

Erläuterung der Inschriften

Die Stauferstele steht auf einem kleinen Platz, der zu diesem Zweck neu geschaffen wurde. Von der Sitzbank aus hat man einen Blick auf die Stele vor der Kulisse der mittelalterlichen Kirche (Foto weiter oben). – Das päpstliche Wappen ist ein gelungenes Meisterwerk der Steinmetzkunst, in dem etwa ein Tag Arbeit steckt.

Denkendorf. Das Wappen von Denkendorf zeigt das Doppelkreuz der Patriarchen von Jerusalem, dem die Denkendorfer Chorherren unterstanden.

Dass Bertold von Denkendorf ein "Graf von Hohenberg und Lindenfels" gewesen sein soll, ist eine spekulative Behauptung, für die es keine belastbaren Beweise gibt (siehe unten).

Das Zitat COMES BERTOLDUS VIR NOBILIS ET ILLUSTRISSIMUS (dt.: Graf Bertold, edler und berühmtester Mann) lässt sich in den Quellen in dieser Form nirgends finden, schon gar nicht mit dem Superlativ "illustrissimus". In der Urkunde von Papst Honorius II. wird der Stifter als illustris vir Bertoldus comes (dt.: berühmter Mann Graf Bertold) bezeichnet.1 In der Urkunde von König Konrad III. wird er als dominus Bertolfus, nobilis et illustris vir (dt.: Herr Bertold, edler und berühmter Mann).2

Auf dem Sockel stehen die Stifter sowie der Bildhauer Markus Wolf, der die Stele 2015 machte (lat.: fecit).

Vatikan. Die Urkunde von Papst Honorius II. nennt zwar mit VI. kalendas Februarii den 26. Januar, aber nicht das Jahr. Honorius II. regierte ab dem 21. Dezember 1124 und starb am 14. Februar 1130. Die Urkunde kann daher in jedem der Jahre 1125 bis 1130 ausgestellt worden sein.

Reichsadler. König Konrad III. nahm das Kloster unter seinen Schutz, was einige seiner Nachfolger immer wieder bestätigten. – Auf dem Sockel steht die Person, an die mit dieser Stele erinnert werden soll.

Stauferlöwen. In Esslingen schenkte Heinrich (VII.) 1231 dem Chorherrenstift ein Gut in Berkheim und einen Fischteich im Neckar (lat.: piscina in Necario), das drei seiner Dienstleute ihm zurückgegeben hatten. In Schwäbisch Hall verlieh er dem Konvent das Besitzrecht an einer Salzpfanne in seiner Stadt Hall.

Die Bezeichnung von Friedrich II. als PRINCIPUM MUNDI MAXIMUS FRETHERICUS STUPOR MUNDI (dt.: größter der Fürsten der Erde, Friedrich, das Staunen der Welt) geht auf Matthaeus Parisiensis zurück, wie bei der Stauferstele Castel Fiorentino ausführlich erläutert ist.

Der in unmittelbarer Nähe stehende Baum musste seine in Richtung der Stele ragenden Äste opfern. Denn der weiße Jurakalk des Denkmals würde sich sonst auf Grund des Chlorophylls der Blätter innerhalb weniger Jahre grün verfärben. Aus diesem Grund steht keine einzige Stauferstele direkt unter einem Baum.

Wer war der Stifter von Denkendorf?

Auf einem nicht mehr existierenden Fresko im Kreuzgang aus dem 15. Jahrhundert soll ein Graf von Beutelsbach als Stifter abgebildet gewesen sein.4 Aber auch die Grafen von Württemberg, die Neuffener, Calwer, Zähringer und viele andere wurden schon als angebliche Stifter von Denkendorf genannt.

In jüngster Zeit behaupteten zwei Heimatforscher, Graf Berthold von Lindenfels5 habe 1124 das Kloster Denkendorf gestiftet.6 Dessen Vater war mit großer Wahrscheinlichkeit Graf Berthold von Hohenberg und Vogt der Reichsabtei Lorsch. Aus diesem Grund wird der angebliche Stifter auch als Graf von Hohenberg/Lindenfels bezeichnet.

In Lindenfels steht noch die Ruine der Burg von Graf Berthold von Lindenfels († um 1136). Der Ort liegt im Odenwald. Für die Hypothese, der Stifter von Denkendorf sei mit diesem Grafen identisch, liegen keine belastbaren Begründungen vor.

Mit Berthold starben die Lindenfelser im Mannesstamm aus. Man geht davon aus, dass er um 1136 kinderlos gestorben ist. Denn nach dieser Zeit treten die Kinder seiner Schwester als Erben von Lindenfels auf.7

Die beiden Verfechter der Lindenfels-Theorie schmücken ihre Hypothese mit zahlreichen Details aus, legen allerdings nirgends einen echten Beweis vor. So behaupten sie, Berthold von Lindenfels sei damals gar nicht gestorben, sondern habe in Denkendorf weitergelebt. Er sei der Bertolfo, der in der Urkunde von König Konrad III. von 1139 als Stifter genannt wird und 1142 in Jerusalem seinen ganzen Besitz dem Kloster vermacht hat.

Abgesehen davon, dass dies auf reinen Spekulationen beruht, wird der Stifter von Denkendorf in der Urkunde von 1139 nicht als Graf und schon gar nicht als Graf von Lindenfels bezeichnet, sondern lediglich als dominus Bertolfus, nobilis et illustris vir (dt.: Herr Bertold, edler und berühmter Mann), also als Edelfreier klassifiziert. In der Zeugenliste der Urkunde hingegen werden sieben tatsächliche Grafen mit ihrem korrekten Titel (comes) genannt.2

Als Edelfreie oder Edelinge wurden ursprünglich germanische Adelige bezeichnet, die sich von den anderen Freien durch die Zahlung des dreifachen Wehrgeldes unterschieden. Aus den Edelfreien entwickelte sich im Laufe des 12. Jahrhunderts der Hohe Adel im Gegensatz zum in seinen Ursprüngen meist unfreien Dienstadel, den sogenannten Ministerialen. Auch die Grafen gehörten zu den Edelfreien, bezeichneten sich aber als Grafen (comes).

In seinem Testament von 1142 bezeichnete der Stifter sich als Bertoldus, natura liber et ingenuus (dt.: Bertold, von Natur her frei und freigeboren), also wiederum als Edelfreier und nicht als Graf.3

Richtig ist, dass der Stifter von Denkendorf in der Urkunde, in der Papst Honorius II. das Kloster zwischen 1125 und 1130 unter seinen Schutz nahm, als Graf (illustris vir Bertoldus comes) bezeichnet wurde.1 Daraus ergibt sich aber nicht, dass der Stifter ein Graf von Lindenfels war.

1.  WUB, Band I, Nr. 283.
2.  WUB, Band II, Nr. 312.
3.  WUB, Band II, Nr. 316.
4.  Karl Pfaff: Denkmale des Altertums und der alten Kunst im Königreiche Wüerttemberg. In: Württembergisches Jahrbuch 1843, S. 46-48.
5.  Bezeugt als Bertolfus comes de Lindenfels in der Zeugenliste einer Urkunde von Kaiser Heinrich V. vom 25. März 1123 und als Bertolfus comes de Lindenveles in der Zeugenliste einer Urkunde des Erzbischofs von Mainz aus dem Jahr 1130.
6.  Rolf Deuschle/Herbert Raisch: Kloster Denkendorf und sein Stifter Berthold, Graf von Hohenberg/Lindenfels. In: Stadtarchiv Esslingen am Neckar (Hrsg.): Esslinger Studien 20 (1981), S. 7-35, passim.
Rolf Deuschle/Herbert Raisch: Kloster Denkendorf, die Württemberger und die Staufer. In: Hohenstaufen Helfenstein, Band 7 (1997), S.33-68, hier: S. 41.
7.  Winfried Wacherfuss: Die Billunge von Schlierbach/Lindenfeld. Ein Beitrag zur Geschichte der Herren von Crumbach/Rodenstein. In: Breuberg-Bund (Hrsg.): Beiträge I, 1972, S. 303-322, hier: S. 305.

Stifter der Stauferstele

Helga Dausinger-Illg
Dr. Friedrich Dausinger

In memoriam Ludwig Illg (1917-1985)

Einweihung: 25. April 2015


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